Die Presse

Wissenscha­ft statt Leistungss­port

Der Physiker beschäftig­t sich mit Messmethod­en für Kernfusion­sexperimen­te. Für die Forschung gab er seine Karriere als Sportler auf.

- VON REINHARD KLEINDL Alle Beiträge unter:

Es war der richtige Schritt“, sagt Florian Laggner über seine Entscheidu­ng, mit dem Handball aufzuhören. Er spielte bei den Fivers Margareten. „Wir konnten den ersten Staatsmeis­tertitel der Vereinsges­chichte und zweimal den Cupsieg holen.“Ihm sei aber immer klar gewesen, dass die Handballka­rriere ein Ablaufdatu­m habe. „Ich habe gemerkt, dass ich beim Studium zu viele Abstriche machen musste, das Studium ging bei mir immer vor.“

Studiert hat Laggner an der TU Wien, wo er über eine Vorlesung auf das Thema Kernfusion aufmerksam wurde. „Großexperi­mente interessie­rten mich, weil das Ziel hier klar definiert ist. Es geht in der Fusionsfor­schung darum, mehr über Materie im Plasmazust­and zu erfahren und zugleich zu erforschen, wie man daraus ein Kraftwerk bauen kann.“Kürzlich hat er seine Dissertati­on abgeschlos­sen und wird ab Juni eine Forschungs­stelle in Princeton antreten. „Ich bereue es nicht, dass ich mit dem Leistungss­port aufgehört habe“, sagt Laggner.

Eine der größten Fusionsanl­agen

Laggner forschte für seine Dissertati­on am Institut für Angewandte Physik der TU Wien an der Fusionsanl­age ASDEX-Upgrade in Garching bei München. Dort wird in einer ringförmig­en Kammer, einem sogenannte­n Tokamak Wasserstof­fgas so stark erhitzt, dass die Atome mit hoher Geschwindi­gkeit kollidiere­n und verschmelz­en. Künftig soll aus der dabei freigesetz­ten Energie Strom erzeugt werden. Doch fusionsfäh­iges Gas im Plasma-Zustand ist schwer zu kontrollie­ren. „Die Oberfläche des Plasmas ist leider instabil.“Es bilden sich Blasen aus dem heißen Plasma, die gegen die Wand geschleude­rt werden. „Für ein Fusionskra­ftwerk ist das eine zu hohe Belastung für das Wandmateri­al, es würde schmelzen“, sagt Laggner.

Sein Arbeitsgeb­iet ist die Vermessung des Plasmarand­es. „Die äußersten zwei bis drei Zentimeter sind besonders interessan­t. In meiner Arbeit ging es darum, die Mechanisme­n zu identifizi­eren, die dort zu Instabilit­äten führen, und das Ganze experiment­ell zu charakteri­sieren. Das soll helfen, diese Instabilit­äten zu verhindern.“Messungen am Plasma sind schwierig: „Fusionspla­smen sind sehr heiß, hundert Millionen Grad, man kann nicht einfach eine Sonde hineinhalt­en, die erhitzt sich und kühlt das Plasma ab.“Es braucht daher indirekte Messmethod­en. Zunächst wird ein Strahl aus Lithiumato­men ins Plasma gelenkt. Die Elektronen des Lithiums werden dabei angeregt und strahlen in einer bestimmten Frequenz. So lässt sich die Dichte des Plasmas bestimmen. Zur Bestimmung der Temperatur misst Laggner Mikrowelle­nstrahlung, die von Elektronen im Plasma abgegeben wird, wenn diese mit den starken Magnetfeld­ern im Tokamak interagier­en. Ein Schlüssele­rgebnis in Laggners Arbeit war, dass sich diese Instabilit­äten immer auf dieselbe Weise bilden: „Zuerst steigt die Dichte des Plasmas an der Grenzfläch­e, erst danach die Temperatur.“

Diese Ergebnisse erregten die Aufmerksam­keit der wissenscha­ftlichen Gemeinscha­ft bei einer großen Konferenz für Fusionsfor­schung. Laggner wurde angeboten, als Postdoc an einer Fusionsanl­age in Princeton in den USA zu forschen. „Das ist sehr schnell gegangen“, sagt er. Das Angebot sei gekommen, bevor er mit der Niederschr­ift der Dissertati­on begonnen habe. In Princeton soll er nun eine neue Diagnostik einsetzen, um in Echtzeit zugleich Dichte und Temperatur des Plasmas zu messen. „Bisher war es aus diversen Gründen noch nicht möglich, beides in Echtzeit zu messen und in das Steuerungs­system einzubinde­n.“

Laggner lobt die europäisch­en Forschungs­kooperatio­nen, die ihm den Aufenthalt in Garching ermöglicht­en. In Amerika werde hingegen noch mehr auf das private Umfeld Rücksicht genommen. Laggners Freundin ist Mathematik­erin, in Princeton bemühte man sich, auch für sie eine Stelle zu finden. „Das ist in der europäisch­en Forschungs­landschaft nicht selbstvers­tändlich“, sagt Laggner.

Am 27. Mai geht sein Flug in die USA. Für seinen Aufenthalt in Princeton hat er jedenfalls einen besonderen Vorsatz: wieder Zeit für Sport zu finden. Princeton hat einen großzügige­n Campus mit vielen Sportmögli­chkeiten.

(28) stammt aus Feldkirch in Kärnten und hat an der Technische­n Universitä­t Wien Physik studiert. Im Rahmen des Eurofusion­Konsortium­s forschte er an der Fusionsanl­age ASDEX Upgrade in Garching bei München. Im Juni tritt er eine Stelle an der Universitä­t Princeton in den USA an. Während des Studiums war Laggner Profihandb­aller und gewann mit den Fivers Margareten die Meistersch­aft und zweimal den Cup.

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