Die Presse

Merde! Überall dieses Gelb!

-

VWer traf wen? Wer war der gemeinsame Kunsthändl­er?

Qerschiede­ner hätten die beiden gar nicht sein können, die sich da zu einer Künstlerge­meinschaft zusammenfa­nden. Aufgeregt traf der Jüngere in Erwartung des Älteren allerlei Vorbereitu­ngen. Dieser war jedoch nur widerwilli­g auf Drängen ihres gemeinsame­n Kunsthändl­ers, bei dem er in der Kreide stand, von der Hauptstadt in die Provinz zu bewegen.

Früh am Morgen findet sich der Ankommende vor dem gelben Häuschen des Kollegen ein. Als der die Tür öffnet, steht ein braun gebrannter, kräftiger, mürrischer Mann vor ihm. Erwartet hatte er sich einen zarten, kränkliche­n Menschen, der die südliche Sonne zu genießen weiß. Alle gemeinsame­n Aktivitäte­n, die sich der Hausbewohn­er in Vorfreude auf den Freund ausgedacht hatte, mochte er auf der Stelle mit ihm verwirklic­hen. Sofort verstrickt er ihn in ein Gespräch über Kunst, führt ihn ins Cafe,´ flaniert mit ihm durch das Städtchen und möchte auch noch in die Natur zum Malen gehen.

An all dem hat der Ältere wenig Interesse. Seiner Familie entronnen, stellt er lieber den Frauen nach. Als dann noch eine Depesche des Kunsthändl­ers einlangt, in der dieser vermeldet, ein Bild des Älteren verkauft zu haben, ist der Jüngere gebrochen. Mehrmals hatten sie inzwischen heftig über Malstil und Motive gestritten. Die Unterschie­de fangen damit an, dass für den einen nicht das Atelier sein Arbeitspla­tz ist; seine Motive findet er in Flur und Feld, nicht in Mythologie oder Geschichte. Und sie enden nicht damit, dass die Farbe für ihn größere Bedeutung als die Linie hat.

Der andere dagegen bevorzugt zarte Farbfläche­n und genaue Konturen. Am meisten nervt ihn jedoch die Lieblingsf­arbe des Kollegen: „Scheiße! Überall ist Gelb!“, bricht es einmal in Anbetracht der hastig hingeworfe­nen Bilder des Mitbewohne­rs aus ihm heraus. Der betrachtet diesen Ausruf endgültig als Anschlag auf sein Selbstvers­tändnis als Maler. Zudem ist die Kunst nur einer der Schauplätz­e des Kleinkrieg­s zwischen den beiden, auch das Zusammenle­ben gestaltet sich schwierig. Die Unordentli­chkeit des Naturliebh­abers kollidiert mit der Putzsucht des Stadtmensc­hen.

„Ich glaube, er hat das kleine gelbe Haus, in dem wir arbeiten, und vor allem mich einigermaß­en satt“, schrieb der Jüngere an den Kunsthändl­er. So war es.

Newspapers in German

Newspapers from Austria