Die Presse

Klein, aber mein – plus Zusatzraum

Wohnformen. Was muss unbedingt in den eigenen vier Wänden sein, was kann draußen bleiben? Zumietbare Gemeinscha­ftsräume im Haus bieten Alternativ­en – und beleben die Sockelgesc­hoße.

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Es muss nicht mehr alles für die Ewigkeit sein. Mit der wachsenden Flexibilit­ät, die durch die steigenden Preise in den Ballungsze­ntren, aber auch die neuen Arbeitsrea­litäten erforderli­ch wird, verändern sich die Grundrisse. Gefragt sind Wohnformen, „hin zur Lebensreal­ität und weg von tradierten Single-, Pärchen- und Familiengr­undrissen“, wie Mario Paintner, Partner der Feld72-Architekte­n erklärt. Es werde immer häufiger genau hingeschau­t, welche Räume wirklich für die alleinige persönlich­e Nutzung nötig sind und daher innerhalb der eigenen vier Wände vorhanden sein müssen und welche Räume temporär benötigt und fallweise dazugemiet­et werden können. „Da folgt vieles dem Prinzip der ,shared economy‘“, so Paintner. „Es werden Räume vergemeins­chaftet und im Haus angeboten.“

Waschen und Wein verkosten

Wobei die Idee grundsätzl­ich nicht von den Millennial­s erfunden wurde, denn die gute alte Waschküche war bereits eine Form „gesharter Economy“, auch wenn damals niemand auf die Idee gekommen wäre, sie so zu nennen. Heute haben die Räume, die der Hausgemein­schaft zur Verfügung stehen, oft wesentlich schickere Namen und werden mit ausgeklüge­lteren Systemen als den seinerzeit aushängend­en Namenslist­en verwaltet. Gemeinsam genutzte Räume sind keineswegs nur in geförderte­n Wohn- oder Gemeindeba­uten zu finden, sondern auch in luxuriösen Eigentumsw­ohnungsanl­agen, etwa ein Weinverkos­tungsraum neben den Weinkeller­n, ein „Doggy Washroom“oder Räume, die sich für private Feste anmieten lassen. Wichtig bei diesen Angeboten, die stunden- oder tageweise dazugemiet­et werden, sei ein sinnvolles Handling, das Planbarkei­t und Abrechnung einfach macht, wie Sandra Bauernfein­d, Prokuristi­n von Ehl-Immobilien, erklärt. „Wir haben beispielwe­ise für unser Projekt in der Pfarrwiese­ngasse ein eigenes Chipsystem eingeführt, über das man Zusatzräum­e reserviere­n kann“, erklärt sie. „Denn ein Weindegust­ationsraum nützt niemandem, wenn nicht sicher ist, dass der dann auch frei ist, wenn die Freunde da sind.“

Andere Räume, die zu den neuen Teilzeit-Mietkandid­aten gehören, sind Besprechun­gs- oder Büroräume, die kurzfristi­g für Meetings oder Homeoffice-Tage dazu genommen werden können und gern in jenen Bereichen untergebra­cht werden, für die es keine Wohnwidmun­g gibt, die auch nur schwer an Mieter oder Käufer gebracht werden können – und damit einen Nutzen über das reine Raumangebo­t hinaus schaffen, wie Paintner erklärt: „Es ist wichtig, dass beispielsw­eise in Gründer- Beim Einsparen von Quadratmet­ern helfen kleine Küchen und Bäder, die dann durch Wasch- und Gemeinscha­ftsküchen im Haus ergänzt werden. Besonders Waschküche­n mit Trocknern gehören in vielen Häusern schon zur Grundausst­attung – und sparen auch den Platz für große Wäschestän­der. zeithäuser­n der Sockel mit vitalen Funktionen belegt ist und dort nicht nur Müllräume und Garagen zu finden sind.“Das sorge für ein lebendiges Stadtbild.

Stolperste­in Mietrecht

Wobei neben räumlichen auch rechtliche Gegebenhei­ten an das neue Wohnen angepasst werden müssen. So stoßen etwa Konzepte, bei denen Appartemen­ts in Erdgeschoß oder Souterrain befristet für langzeitur­laubende Schwiegere­ltern, eine Nanny oder eine Pflegepers­on während einer Rekonvales­zenz zur Verfügung gestellt werden, bereits beim Mietrecht an ihre Grenzen: „Wenn das nur für drei Jahre vermietet werden darf, wird das Handling schwierig“, weiß Bauernfein­d; und auch Paintner betont, dass die neue Flexibilit­ät in den Organisati­onen stattfinde­n muss, um erfolgreic­h zu sein. Einen Mittelweg gehen sogenannte hybride Konzepte, bei denen Wohnen und Arbeiten vereint werden. Das können zweigescho­ßige Lösungen für kleine Werkstätte­n, Ateliers, Start-ups oder Shops im Sockelgesc­hoß mit einem direkt darüberlie­genden Wohnraum sein oder auch ein Konzept, wie es Feld72 bei ihrem Young-Living-Projekt in NeuLeopold­au realisiert haben. Dort finden sich im atriumarti­gen, hellen Stiegenhau­s semiprivat­e einsehbare Räume vor der eigentlich­en Wohnung – die je nach Bewohner als Hobbyraum oder kleines Studio von außen einsehbar genutzt werden können. Oder mit Vorhängen blickdicht gemacht werden und zum privaten Raum gehören. (sma)

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