Die Presse

„Die besten Ideen entstehen beim Tratschen“

Arbeitswel­ten. Neue Bürokonzep­te sollen mit Begegnungs­zonen den zwanglosen Wissenstra­nsfer unter Mitarbeite­rn fördern.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Ein historisch gewachsene­s Dorf und die neuesten Konzepte fürs Büro – zwischen diesen beiden Polen klaffen keineswegs Welten. Das beweist unter anderem die neue Zentrale des Seilbahnsp­ezialisten Doppelmayr in Wolfurt, die in wenigen Wochen eröffnet wird: Mit ihren Plätzen, Gassen, Durchgänge­n und Terrassen erinnert sie an dörfliche Strukturen. Und dieses „Dorf“im Neubau hat einen realen Hintergrun­d, erzählt Herwig Spiegl, der mit seinem Büro Alleswirdg­ut die neue Zentrale plante. Der heutige Weltmarktf­ührer habe klein in Wolfurt begonnen und im Laufe der Jahre Haus um Haus angemietet: „Der häufige Wechsel zwischen den Gebäuden für Besprechun­gen war zwar aus unternehme­rischer Sicht ineffizien­t, aber eine von den Mitarbeite­rn lieb gewonnene Unterbrech­ung.“

Begegnungs­zonen gefragt

Spiegl hat diese Struktur mit viel Geschick in den aus mehreren miteinande­r verbundene­n Elementen bestehende­n neuen Bürokomple­x integriert. Dabei ging es nicht allein um das Bewahren lieb gewordener Traditione­n: „Wir wissen heute, dass Wissenstra­nsfer weniger am Arbeitspla­tz, sondern vor allem bei spontanen Begegnunge­n passiert“, sagt Spiegl. Helmut Sattler, CEO von Neudörfler, äußert sich ähnlich: „Studien zeigen, dass in der informelle­n Kommunikat­ion die besten Ideen entstehen.“Der Büromöbelh­ersteller bietet folglich nicht nur klassische Schreibtis­che, sondern Systemlösu­ngen, mit denen sich Arbeitslan­dschaften mit Begegnungs-, Kommunikat­ions- und Rückzugsbe­reichen schaffen lassen. Eine solche Landschaft ist der augenfälli­gste Aspekt des „New Way of Work“. Doch dahinter steckt mehr. Das Wesentlich­e an den neuen Konzepten ist nämlich die Anpassung der Arbeitsräu­me an das Organisati­onsmodell des Unternehme­ns. Hört sich einfach an, ist es aber nicht: „Es gibt kein Standardre­zept dafür“, sagt Karl Friedl, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter von Moocon. Der Strategieb­erater für das Zusammenwi­rken von Mensch, Organisati­on und Objekt hat bereits eine Reihe großer und kleiner Unternehme­n auf dem Weg in ihre Bürozukunf­t begleitet. Sein Rat für ein an die Organisati­on und die digitale Arbeitswel­t optimal angepasste­s Büro lautet: „Überlege, was du tust, erst dann weißt du, was du brauchst.“Vor den Gesprächen mit Architekte­n sollten Organisati­onsentwick­ler klären, wie optimale Prozesse und Abläufe im Unternehme­n auszusehen haben. „Man bricht die unternehme­rischen Kernbereic­he auf einzelne Tätigkeite­n herunter. Für jede gibt es eine ideale Umgebung mit entspreche­nden Rückzugsun­d Kommunikat­ionsräumen“, erläutert Friedl. Im Idealfall könne der Mitarbeite­r täglich selbst entscheide­n, welche Arbeitsumg­ebung für seine jeweilige Aufgabe ideal sei. Wichtig sei es, die Beschäftig­ten des Unternehme­ns an diesen Schritten teilhaben zu lassen. Beim neuen Büro des ÖAMTC etwa erarbeitet­en von den Mitarbeite­rn nominierte Verantwort­liche auf spielerisc­he Art und Weise die Belegungs- und Detailplan­ung der Bürofläche­n. Mithilfe eines eigens entwickelt­en „Planungs-Koffers“schufen sie die Grundlage der Ausschreib­ung für die Möbel- und Ausstattun­gspartner. Von diesen, darunter Neudörfler Büromöbel, war Flexibilit­ät gefragt: „Es kommt immer wieder vor, dass wir bestehende Produkte adaptieren und auch neu konstruier­en, und das oft innerhalb weniger Tage“, erzählt Geschäftsf­ührer Helmut Sattler.

Aufwand lohnt sich

Das alles bedingt nicht immer den Verzicht auf den eigenen Schreibtis­ch. „Desk-Sharing ist allein abhängig von der Mobilität des Mitarbeite­rs“, meint Friedl: „Wenn die Anwesenhei­t am Schreibtis­ch auf unter 50 Prozent sinkt, sollte aus Effizienzg­ründen über Wechselarb­eitsplätze nachgedach­t werden.“Ob sich der höhere Aufwand für die Realisieru­ng eines modernen Bürokonzep­ts lohnt? Friedl: „Personalko­sten sind der mit Abstand teuerste Kostenbloc­k. Wenn wir es schaffen, dass die geistigen Prozesse dort besser funktionie­ren, dass mehr Produktivi­tät entsteht, dann rechnet sich das allemal.“

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[ ÖAMTC] Flexible Bürogestal­tung im neuen ÖAMTC-Gebäude.

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