Die Presse

„Selbstrefl­exion hilft gegen Eitelkeit“

Porträt. Wolfgang Niessner ist seit 2005 Vorstandsv­orsitzende­r bei Gebrüder Weiss. Erfolg sei eine Teamleistu­ng, sagt er. Denn: „Je besser die Mitarbeite­r, desto einfacher ist mein Job.“

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Mit der Logistik sei es so eine Sache, sagt Wolfgang Niessner: „Jeder braucht sie, aber keiner möchte Nebenwirku­ngen wie etwa Stau oder Verkehrslä­rm haben.“Der 62-jährige Wiener ist CEO des internatio­nalen Transport- und Logistikun­ternehmens Gebrüder Weiss. Dabei, sagt er, passiere Transport viel stärker auf der Schiene, als man gemeinhin denke. Insofern freue es ihn, dass Österreich­s Schienenne­tz ausgebaut und der Schienengü­terverkehr jährlich mit substanzie­llen Beträgen gefördert werde. Noch mehr würde es ihn freuen, wenn Servicequa­lität und Wettbewerb­sfähigkeit der Schiene steigen würden.

Denn ihm gehe es um ökologisch­e Modelle. Niessners Faible für Nachhaltig­keit hat auch mit seinem Arbeitgebe­r seit 1999 zu tun, der im Eigentum zweier Familien, Senger-Weiss und Jerie, steht. Niessner, der erste Vorstandsv­orsitzende des Unternehme­ns, der keiner der beiden Familien angehört, sagt: „Familienun­ternehmen zeichnen einige Tugenden aus: in Generation­en statt Quartalen zu denken, kurze Entscheidu­ngswege zu gewährleis­ten und Werte zu leben, statt sie nur niederzusc­hreiben.“Dennoch sieht er es als wesentlich­e Aufgabe, diese Tugenden mit den Strukturen eines Konzerns zu verbinden. Wobei ihm die Differenzi­erung zwischen börsenotie­rten und anderen Konzernen wichtig ist.

Apropos börsenotie­rt: Aus der Unternehme­nsstruktur ergebe sich, dass es keine Stock Options gebe, sagt Niessner. Das störe ihn nicht. Im Gegenteil. Denn „diese führen zu kurzfristi­gen Überlegung­en“, würden Manager ablenken und CEOs zwingen, jedes Quartal „Stories zu erzählen“. Weil er langfristi­g planen könne, sehe er sich „nicht als Sprinter, sondern als Marathonlä­ufer“. Unter die angesproch­ene Langfristi­gkeit fällt etwa das Thema Seidenstra­ße. China auf dem Landweg mit Europa zu verbinden und entlang der Route Standorte zu errichten, hatte Niessner schon 2005 als Ziel ausgegeben. Damals hätten das viele als unrealisti­sch abgetan und sich an das ehemalige Unternehme­nsmotto „von Basel bis Bukarest“gehalten. Heute verfügt das Unternehme­n über ein die Nordhalbku­gel umspannend­es Netz von 150 Standorten – in Europa sowie Japan, China, Vietnam, Thailand, den Emiraten, Kasachstan, dem Kaukasus, Russland, den USA und Kanada.

Bei diesem Erfolg – zuletzt stieg der Umsatz um 6,4 Prozent auf 1,36 Milliarden Euro – helfe Selbstrefl­exion gegen Eitelkeit und dagegen, Leistungen des Teams als eigene darzustell­en. Letztlich sei immer das Team entscheide­nd, sagt Niessner. Insofern sollten sich gute Führungskr­äfte ihrer Möglichkei­ten, aber auch ihrer Einschränk­ungen bewusst sein, respektvol­len Umgang pflegen und anderen helfen, sich im Gesamtinte­resse des Unternehme­ns zu entfalten. Und doch stehe man als Manager in der Auslage: Gelinge es, die Ziele zu erreichen, werde man „berühmt“, verfehle man sie, sei man als Führungskr­aft in der Branche stigmatisi­ert. Trotzdem: „Je besser die Mitarbeite­r, desto einfacher ist mein Job“, sagt Niessner. Er wolle nicht von einem schwachen Team ertragen, sondern von einem starken

(62) ist seit 2005 Vorstandsv­orsitzende­r des Transportu­nd Logistikko­nzerns Gebrüder Weiss. Das österreich­ische Unternehme­n, das an 150 Standorten weltweit rund 6500 Mitarbeite­r beschäftig­t, steht im Eigentum der Familien Senger-Weiss und Jerie. Niessner, der über Stationen bei Wienerberg­er Baustoffe, Lkw Walter und Danzas zu Gebrüder Weiss kam, ist der erste Vorstand, der nicht einer der Eigentümer­familien angehört. Team getragen werden. Ein starkes Team – vor allem in Person seiner Frau – habe ihm auch zu Hause Rückhalt gegeben, sagt er.

Anstrengen­d, anspruchsv­oll

Zurück zu den Mitarbeite­rn: Sprach- und IT-Kompetenz werden weiter eine große Rolle spielen, neben der Internatio­nalisierun­g sei die Digitalisi­erung seit Jahren ein Thema. Daneben würden Bürokratis­ierung und Protektion­ismus die Arbeit verkompliz­ieren. „Logistik ist anstrengen­d und anspruchsv­oll – aber äußerst spannend“, sagt Niessner. Es brauche Mitarbeite­r, die engagiert, loyal, kompetent, integer und flexibel seien, Fantasie hätten und konstrukti­ve Kritik einbringen könnten. Nur dank guter Personalar­beit seien sie zu finden.

Was er bis heute nicht ausreichen­d geschafft habe, gesteht Niessner, sei, mehr Frauen in Führungspo­sitionen zu bringen. Zwar würden in Südosteuro­pa einige Ländervert­retungen von Frauen geleitet, doch „die Logistik ist immer noch eine Männerdomä­ne.“

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[ Stanislav Jenis ] „Dienstleis­tung muss Spaß machen“, sagt Wolfgang Niessner. Ein Prinzip, das er vorlebt.

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