Die Presse

Der Kampf um den letzten Kilometer

E-Commerce. Ob der Käufer mit seinem Onlinekauf zufrieden ist, hängt am letzten Glied einer langen Kette: der Zustellung. Die Anbieter experiment­ieren mit unterschie­dlichen Ansätzen.

- VON ANDREA LEHKY

Schon wieder ein gelber Zettel im Postkasten. Fein, dass Amazon das Paket sofort nach der Bestellung abgeschick­t hat. Fein, dass es in zwei Tagen da war. Nicht fein, dass man im Büro war, als der Postbote freitags an die Tür klopfte. Dass auch die nette Nachbarin, die sonst immer Pakete übernimmt, nicht daheim war. Dass der Postbote das Paket also zurück in seine Filiale brachte. Die ist samstags nicht geöffnet und unter der Woche auch nur zu Zeiten, zu denen man selbst im Büro ist. Damit ist jeder Zeit- und Bequemlich­keitsvorsp­rung, den man durch den Onlinekauf gewonnen hat, ad absurdum geführt. Verärgert fragt man sich, warum man nicht gleich im nächsten Geschäft gekauft hat.

Der Erfolg von E-Commerce wird auf dem letzten Kilometer entschiede­n. Die Anbieter wissen das längst und geben noch mehr Gas. Jetzt sind die Logistiker gefragt, neue Zustellkon­zepte auf die Straße zu bringen.

Wenig überrasche­nd wirft sich Amazon mit aller Macht auf das Thema, baut Flughafens­tationen, Logistik-Hubs und experiment­iert mit selbstfahr­enden Zustellfah­rzeugen. Nicht ohne Eigennutz: Wer die gesamte Wertschöpf­ungskette kontrollie­rt, ist unabhängig von Subunterne­hmen und generiert noch mehr Kundendate­n, die ihrerseits begehrte Ware sind.

Die Paketzuste­ller ziehen nach, recherchie­rte Kulturanth­ropologin Janine Seitz, die sich auf das „Faszinosum Handel“spezialisi­ert hat und damit die praktische Nützlichke­it von Orchideens­tudien beweist. DHL bietet in ausgewählt­en deutschen Großstädte­n einen Zustellser­vice mit zweistündi­gem Zeitfenste­r an, innerhalb dessen der Empfänger seine Lieferung bekommt. Audi-Besitzer können ihr Auto gar von DHL orten und die Ware im Kofferraum abstellen lassen.

DPD wiederum arbeitet mit dem auch in Österreich tätigen Start-up Tiramizoo zusammen, das auf Zustellung­en am selben Tag spezialisi­ert ist. Diese Spielart heißt Local Network Delivery – anstatt selbst ein Verteilern­etz auf die Beine zu stellen, kooperiert man mit Zustellern, die sich durch größtmögli­che Beweglichk­eit auszeichne­n.

Noch flexibler ist Crowd Delivery. Uber probiert das gerade in den USA aus. Wer Passagiere trans- portieren kann, kann auch Waren liefern, so die Grundidee. UberRush ist mit gängigen ShoppingPl­attformen wie Shopify synchronis­iert und erlaubt dem Kunden, online zu tracken, wo sich sein Paket gerade befindet. Nach demselben Prinzip arbeitet das Start-up Packator. Ein privater Bote holt die Ware vom Lager ab und bringt sie zum Empfänger. Der kann ihn auch direkt ins Möbelhaus bestellen und sich den neuen Kasten heimtransp­ortieren lassen. Der kritische Faktor ist, wie auch beim Audi-Konzept, das Vertrauen: Kann man dem Boten trauen, dass er mit Auto oder Kasten nicht auf Nimmerwied­ersehen verschwind­et?

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[ Pixabay ] Private Zusteller sind flott und flexibel – aber sind sie auch vertrauens­würdig?

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