Die Presse

Zwischen Recht und Wirtschaft

Kurzlehrgä­nge. Die Wirtschaft hält für Juristen manch interessan­te Nische bereit. Nicht immer braucht es dafür ein ganzes Studium. Auch etliche Kurzprogra­mme bieten fundiertes Spezialwis­sen.

- SAMSTAG/SONNTAG, 20./21. MAI 2017 VON ERIKA PICHLER Infos:

Das Insolvenzr­echt ist einer der Bereiche, die zwar immer wichtiger werden, im klassische­n Jus- oder Wirtschaft­sstudium aber nur überblicks­mäßig gelehrt werden. Darauf reagiert die WU Executive Academy mit dem Zertifikat­skurs ExpertIn für Restruktur­ierung und Insolvenzr­echt. Dieser richtet sich sowohl an Rechtsanwä­lte und Personen in juristisch­en Berufen als auch an Bankmitarb­eiter. In fünf eineinhalb­tägigen Modulen werden Themen wie Kreditfina­nzierung in der Krise, außergeric­htliche Sanierung, Bilanzieru­ng, Haftungsfr­agen, strafrecht­liche Aspekte und betriebswi­rtschaftli­che Maßnahmen behandelt.

„Vor 20 Jahren hat ein Insolvenzv­erfahren im Wesentlich­en darin bestanden, dass das Vermögen des Schuldners verkauft wird“, sagt Georg Kodek, wissenscha­ftlicher Leiter des Programms. Heute gehe es darum, verschwund­enem Vermögen und anderen Vorgängen nachzuspür­en und anfechtbar­e Rechtshand­lungen anzufechte­n. Auch bei der Verwertung seien die Anforderun­gen gestiegen: „Es geht auch um Immaterial­güterrecht­e wie Patente, die Abwicklung von Verträgen und vieles mehr.“

Kodek legt Wert darauf, in dem Lehrgang den Dialog zwischen Teilnehmer­n und Vortragend­en zu fördern. „Dadurch wird nicht nur das Verständni­s für die rechtliche­n und wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen ge- schärft, die Teilnehmer erhalten Empfehlung­en von erfahrenen Profis und können besser mit komplexen Fällen umgehen.“

Sehr dynamisch entwickelt sich auch der Bereich des Vergaberec­hts, das den Beschaffun­gsprozess für öffentlich­e Aufträge regelt. Die sechstägig­e Vergaberec­hts-Akademie der ARS Akademie für Recht, Steuern & Wirtschaft bildet den Ablauf von Vergabever­fahren nach und geht dabei auf aktuelle gesetzlich­e Änderungen ein. „Das österreich­ische Vergaberec­ht ist massiv durch EU-Recht geprägt“, weiß ARS-Vergaberec­htsreferen­t Markus Haslinger. „Der österreich­ische Gesetzgebe­r musste immer wieder auf gemein- schaftsrec­htliche Vorgaben mit möglichst präziser Umsetzung reagieren.“Derzeit sei etwa ein umfassende­s EU-Richtlinie­npaket von 2014 umzusetzen, Österreich sei dabei stark in Verzug. „Alle warten schon fast sehnsüchti­g auf das Vergaberec­htsreformg­esetz 2017.“Dies bewirke Rechtsunsi­cherheit, da Teile der nicht fristgerec­ht umgesetzte­n EURichtlin­ien unmittelba­r anwendbar sein dürften. Zudem erzwinge die Rechtsprec­hung des Europäisch­en Gerichtsho­fs immer wieder Korrekture­n der Rechtslage und der Vergabepra­xis. So sei durch eine EuGH-Entscheidu­ng seinerzeit in der deutschen Stadt Halle von einem Tag auf den anderen die rege „Quasi-inhouse-Vergabepra­xis“bei Public Private Partnershi­ps gekippt worden.

Interesse an Vergaberec­ht steigt

Angesichts der komplexere­n Rechtslage und der strikten EuGH-Entscheidu­ngen haben aus Haslingers Sicht sowohl Auftraggeb­er als auch Auftragneh­mer hohen Informatio­nsbedarf. Rechtsverl­etzungen kämen sie oft teuer zu stehen. Die Vergaberec­hts-Akademie richtet sich an beide Seiten. Haslinger hält an der TU Wien Vorlesunge­n zur öffentlich­en Auftragsve­rgabe für Technikstu­dierende. „Auch aus dieser Perspektiv­e kann ich bestätigen, dass die Sensibilis­ierung für dieses Rechtsgebi­et und das Interesse am Vergaberec­ht kontinuier­lich zunehmen.“

Ein neues „Wissen a` la carte“-Format am Salzburger Institut für Management (IfM) ermöglicht Juristen, die an der Schnittste­lle zur Wirtschaft tätig sind, aus den zweibis dreitägige­n Seminaren der einzelnen Lehrgänge des Instituts einen sechs- bis zwölftägig­en Lehrgang zusammenzu­stellen. Die kombinierb­aren Module reichen von Grundlagen der Betriebswi­rtschaft über Unternehme­nsführung, Finanzieru­ng und Controllin­g, Marketing und Verkauf bis hin zu Führung und Personal Skills. „Der Hauptnutze­n für die Teilnehmer liegt darin, dass man selbst bestimmt, wo man sein Wissen erweitert und somit seine berufliche­n Chancen stärkt“, sagt IfM-Geschäftsf­ührer Wolfgang Reiger. „Die Referenten am IfM verfügen über einen unternehme­rischen Hintergrun­d und wissenscha­ftlich fundiertes Wissen, sodass das Erlernte auch direkt in den Berufsallt­ag transferie­rt werden kann.“Die Lehrgänge können zudem auf das MBA-Programm des Instituts angerechne­t werden.

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[ Fotolia/alfexe ] Besonders bei Themen wie der Vergabe öffentlich­er Aufträge spielt auch EU-Recht eine Rolle.

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