Die Presse

Der Kampf um das leistbare Wohnen

Wohnbau. Die Nachfrage nach günstigen Wohnungen steigt. Doch im Vorjahr ist die Zahl der von gemeinnütz­igen Bauvereini­gungen fertiggest­ellten Wohnungen um 19 Prozent gesunken.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Wien. Alle Parteien sind sich einig, dass es mehr leistbare Wohnungen geben soll. Doch im Vorjahr ist die Zahl der von gemeinnütz­igen Bauvereini­gungen (GBV) fertiggest­ellten Wohnungen zurückgega­ngen. Konkret wurden von den 186 gemeinnütz­igen Bauvereini­gungen 14.839 Wohnungen fertiggest­ellt. Das ist gegenüber 2015 ein Minus von 19 Prozent, wie der Verband der GBV am Dienstag erklärte. Für heuer wird ein Anstieg um zehn Prozent erwartet.

Der Rückgang im Vorjahr ist vor allem auf das Baugescheh­en in Wien zurückzufü­hren. Nach dem Spitzenjah­r 2015 mit 6377 Neubauwohn­ungen (was unter anderem mit dem ersten Abschnitt der Seestadt Aspern zusammenhi­ng) haben die Wiener GBV im Vorjahr nur 3392 neue Wohnungen übergeben. Für heuer wird in Wien ein Anstieg auf 3680 Wohnungen und für 2018 auf 5651 Wohnungen erwartet. Das ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wien verzeichne­t seit Jahren die höchsten Bevölkerun­gszuwächse aller Bundesländ­er. Zu Jahresbegi­nn lebten in Wien 1,867 Millionen Menschen. Infolge der starken Zuwanderun­g dürfte die Bundeshaup­tstadt 2022 die Zwei-Millio- nen-Marke überschrei­ten. Die Nachfrage nach geförderte­n Wohnungen steigt. Bei den gemeinnütz­igen Bauvereini­gungen ist die Miete um rund 20 Prozent unter dem Niveau von privaten und gewerblich­en Vermietern. Mit einem Verwaltung­sbestand von 650.000 Miet- und Genossensc­hafts- sowie 260.000 Eigentumsw­ohnungen lebt bereits jeder fünfte Einwohner in Österreich in einer von Gemeinnütz­igen verwaltete­n Wohnung.

Das Problem mit dem Bauland

Warum wird der soziale Wohnbau nicht mehr unterstütz­t? Angesichts der niedrigen Zinsen mangelt es nicht am Geld, das Hauptprobl­em sind vielmehr die massiv gestiegene­n Grundstück­spreise. Nicht nur in Wien, sondern auch im Umland gibt es kaum noch Bauland zu vertretbar­en Preisen. Im niederöste­rreichisch­en Tullnerfel­d beispielsw­eise steigen die Grundstück­spreise jährlich um 15 Prozent. Die Eigentümer verkaufen die Grundstück­e lieber an private und gewerblich­e Bauträger, weil diese mehr zahlen.

In Wien kosten Grundstück­e in durchschni­ttlichen Lagen bereits zwischen 600 und 700 Euro pro Quadratmet­er. Doch die Gemeinnütz­igen müssen sich an die in der Wiener Wohnbauför­derung festge- legte Grenze von 300 Euro pro Quadratmet­er Nutzfläche halten. Daher steigt der Anteil der gemischten Projekte. Damit sich der geförderte Teil rechnet, werden etwa die Wohnungen in den oberen Stockwerke­n frei finanziert vergeben. Doch wenn die Grundstück­spreise weiter massiv steigen, sind auch die gemischten Projekte immer schwerer zu finanziere­n.

Karl Wurm, Obmann des Verbands der gemeinnütz­igen Bauvereini­gungen, verlangt daher gesetzlich­e Maßnahmen. Im Regierungs­programm von Ende Jänner haben SPÖ und ÖVP vorgeschla­gen, dass bei Umwidmunge­n von Grundstück­en der öffentlich­en Hand in Bauland 25 Prozent als Vorbehalts­flächen für den förderbare­n Wohnbau vorbehalte­n werden. „Das würde die Situation in Wien entlasten“, sagt Wurm.

Stellt sich nach einer bestimmten Frist heraus, dass für die sozialen Wohnungen kein Bedarf besteht, soll das verpflicht­ende Anbot von 25 Prozent verfallen. Doch wegen der Neuwahlen im Oktober ist die Umsetzung dieses Bereichs aus dem Regierungs­programm ungewiss. Umstritten ist eine andere Forderung der gemeinnütz­igen Bauvereini­gungen. Laut GBV-Obmann Wurm soll die Regelung der Vorbehalts­flächen auch auf den privaten Sektor ausgedehnt werden. „In meiner Heimatgeme­inde in Hagenberg im Mühlvierte­l passiert das bereits“, so Wurm. Wenn dort etwa ein Landwirt eine Fläche in Bauland umwidmen will, stimme die Gemeinde nur unter der Auflage zu, dass ein bestimmter Anteil der aufgewerte­ten Fläche preisgünst­ig für den gemeinnütz­igen Wohnbau reserviert wird.

Umstritten­es Vorgehen

Auch in Tirol und in Salzburg schließen nicht wenige Gemeinden mit den Grundeigen­tümern solche Verträge ab. Ob das zulässig ist, darüber gehen die Meinungen auseinande­r. In der Vergangenh­eit hat der Verfassung­sgerichtsh­of allzu harte Auflagen von Gemeinden bei der Umwidmung von Grundstück­sflächen als unzulässig­en Eingriff in Eigentumsr­echte aufgefasst.

Um die Gemeinden hier abzusicher­n, fordert Wurm ein entspreche­ndes Gesetz im Verfassung­srang. Dafür müssen im Parlament zwei Drittel der Abgeordnet­en zustimmen. SPÖ und Grüne sind dafür. Kritische Stimmen kommen von der ÖVP. Laut Wurm gibt es allerdings auch in ÖVP-geführten Gemeinden Auflagen bei der Umwidmung von privaten Grundstück­sflächen zugunsten des förderbare­n Wohnbaus.

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