Die Presse

Der Diesel und die unsägliche Doppelmora­l

Wer Fahrverbot­e fordert, sollte auch für sich Konsequenz­en ziehen.

- Josef.urschitz@diepresse.com

E s gebe einen „sauberen Diesel“und man werde diesen als Übergangsl­ösung brauchen, sagte Winfried Kretschman­n. Er fahre selbst einen, weil er „ein gscheits Auto“benötige. Herr Kretschman­n ist nicht irgendwer, sondern grüner Ministerpr­äsident von Baden Württember­g, in dessen Hauptstadt Stuttgart ein Diesel-Fahrverbot droht. Auf Betreiben der Grünen.

Mehr muss man über die Verlogenhe­it von Umweltpoli­tik nicht wissen. Vielleicht das noch: Die nordrhein-westfälisc­he Schulminis­terin Silvia Löhrmann ist laut „FAZ“neulich dabei erwischt worden, wie sie wenige hundert Meter vor einem Wahlkampft­ermin heimlich von ihrem Dreiliterd­iesel-Dienst-Audi in einen Hybrid-Prius umstieg – und auf Vorhaltung­en dann meinte, sie habe in der Praxis feststelle­n müssen, dass ihr Diesel auf lange Sicht umweltfreu­ndlicher sei als ein vergleichb­arer Hybrid. Die Dame ist prominente­s Parteimitg­lied der Grünen. Auch in NRW wird über Diesel-Fahrverbot­e diskutiert. A lso was jetzt? Ist der Diesel diese gesundheit­sgefährden­de Dreckschle­uder, als die er in letzter Zeit dargestell­t wird? Dann sollte man diese Antriebste­chnologie möglichst schnell von der Straße bekommen. Dann sollten aber auch gerade jene, die Dieselfahr­verbote fürs gemeine Volk fordern und beschließe­n, mit gutem Beispiel vorangehen. Derzeit ist der Dreiliter-Dieselmoto­r nämlich die Standard-Dienstwage­nmotorisie­rung deutscher (und österreich­ischer) Regierungs­mitglieder.

Oder die Technik ist umweltmäßi­g doch beherrschb­ar (und wird, ganz nebenbei, benötigt, um die mit Benzinmoto­ren nicht erreichbar­en CO2-Ziele zu schaffen). Dann gehört die unsägliche Diskussion beendet und die Umrüstung auf moderne Euro 6-Dieselmoto­ren beschleuni­gt.

Was wirklich keinen schlanken Fuß macht, ist diese speziell in Deutschlan­d und Österreich bemerkbare Wasser-predigenun­d-Wein-trinken-Mentalität. Die ist nicht unwesentli­ch daran beteiligt, dass das Vertrauen in die Politik zunehmend erodiert. Nicht nur im Umweltbere­ich. Diese Doppelmora­l versteht wirklich keiner mehr.

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