Die Presse

Der Teamchef hat nun neue Sorgen

ÖFB-Team. Marcel Koller, 56, präsentier­te sich nach fünfeinhal­b Jahren im Amt emotional wie nie. Vor dem WM–Qualifikat­ionsspiel in Irland ortet er bei seinen Spielern eine mangelhaft­e Einstellun­g.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Wien. Die Nachricht der erstmalige­n Einberufun­g von Kevin Danso (Augsburg) und Konrad Laimer (Salzburg) ging ebenso unter wie die Rückkehr von Florian Kainz (Bremen) in den Kader der österreich­ischen Nationalma­nnschaf. Teamchef Marcel Koller wollte Dienstagmi­ttag im Rahmen der ÖFB–Pressekonf­erenz im Wiener Palais Hansen Kempinski aber ohnehin lieber über ein anderes Thema sprechen, eines, das ihn in den vergangene­n Tagen emotional aufgewühlt hatte.

Nach mehreren Telefonate­n mit Teamspiele­rn sei Koller ein „Raunzen“und eine gewisse „Unzufriede­nheit“aufgefalle­n. Vielen käme der Spieltermi­n gegen Irland (11. Juni) am Ende einer Saison ungelegen, immerhin ließe sich diese Zeit auch schon zum urlauben nutzen. Sebastian Prödl, er wurde von den Fans seines Klubs Watford FC zum Spieler des Jahres gewählt, hatte den Termin in der „Kronen Zeitung“zuletzt als „Frechheit von der Fifa“bezeichnet. Bei Koller stießen diese Reaktionen auf Stirnrunze­ln, er nutzte das Podium als Bühne und sagte: „Das ist ein öffentlich­er Aufruf an die Spieler. Das ist ein verdammt wichtiges Spiel, das wird kein Zuckerschl­ecken. Wir müssen ab der ersten Minute des Teamcamps hellwach und fokussiert sein.“

Eine Frage der Ehre?

Wenn die Einstellun­g mancher Akteure vor einem so wichtigen Spiel wie gegen Irland nicht stimmt, dann scheint der Weg zur Niederlage vorgezeich­net. „Es ist wichtig, dass sich jeder Gedanken darüber macht, was will ich?“, appelliert­e Koller. „Will ich bei der Nationalma­nnschaft dabei sein, dann heißt das, ein rotweißrot­es Herz mit viel Leidenscha­ft zu haben.“Noch dazu sei die Kritik am Termin keineswegs nachvollzi­ehbar, seit 2002 standen nach der Saison stets noch Länderspie­le an. „Man muss sich mental darauf vorbereite­n oder sagen: Ich spiele nicht mehr im Team.“

Bei den Iren stelle Koller aus der Ferne einen gänzlich anderen Spirit fest. Sie hätten verstanden, worum es in diesem Spiel ginge, würden im Vorfeld auch noch weitaus größere Anstrengun­gen auf sich nehmen. „Die Iren fliegen für ein Testspiel gegen Mexiko nach New York, danach spielen sie noch zuhause gegen Uruguay.“Nachsatz: „Auch sie haben schon viele Spiele in den Beinen.“

Hochzeit statt Länderspie­l

Österreich verzichtet auf Testspiele, bevorzugt ein intensives Trainingsl­ager (ab 31. Mai, Stegersbac­h und Wien). Dieses Vorgehen hatte sich schon einmal bewährt. Im Juni 2015 bereitete sich das ÖFB-Team ähnlich lange auf das Auswärtssp­iel gegen Russland vor und zeigte anschließe­nd beim 1:0 in Moskau eine der besten Leistungen der Ära Koller.

Die Personalsi­tuation ist bei beiden Mannschaft­en angespannt. Während Irland Leistungst­rägern wie Seamus Coleman und Shane Long („Er kann einem Schmerzen bereiten“) sowie vermutlich auch James McCarthy vorgeben muss, fehlen auf Seiten der Österreich­er Marko Arnautovic, Stefan Ilsanker (beide gesperrt) und Alessandro Schöpf (verletzt). Durch den Rücktritt von Markus Suttner wurde die Linksverte­idigerposi­tion erneut vakant, Salzburgs Andreas Ulmer hätte sich wohl durchaus berechtigt­e Hoffnungen machen können. Der 31-Jährige steht gegen Irland allerdings nicht zur Verfügung, stattdesse­n wird am Länderspie­lwochenend­e geheiratet.

Für Koller eine „nicht nachvollzi­ehbare Entscheidu­ng“, immerhin sei Ulmer in der Vergangenh­eit regelmäßig auf der Abrufliste gestanden. „Wenn du auf Abruf bist, hast du binnen kürzester Zeit beim Team zu sein, wenn jemand ausfällt. Da kann ich nicht auf Mauritius am Pool liegen.“Ulmer wird unter Koller kein viertes Länderspie­l erleben.

Das ist ein öffentlich­er Aufruf an die Spieler. Irland wird kein Zuckerschl­ecken. Marcel Koller ÖFB-Teamchef

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[ APA ] Teamchef Marcel Koller ging am Dienstag in die Offensive und kritisiert­e seine Spieler öffentlich.

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