Belcea-Quartett: Stationen auf dem Weg ins Nichts
Letzte Worte von Schubert und Schostakowitsch im Konzerthaus.
Eineinhalb Jahrhunderte trennen die letzten Streichquartette von Schubert und Schostakowitsch. In punkto unablässiger Intensität gleichen sie einander jedoch – das Werk in G-Dur D 887 mit seiner orchestral anmutenden Weiträumigkeit, in dem zumal beim wiegenden, kreisenden Seitenthema des Stirnsatzes das Zeitempfinden schwindet, und das es-Moll-Quartett op. 144, bei dem über sechs pausenlosen Adagio-Sätzen Nachtschwärze lastet. Zusammen sind sie fast zu viel für einen einzigen Abend. Ganz ohne Verluste ging das deshalb auch beim Belcea-Quartett nicht ab, besonders vor der Pause; doch entschädigte das famose Ensemble dafür mit individuellen, teilweise sogar eigenwillig zugespitzten Deutungen.
Schubert erklang herb, schneidend, aller „wienerischen“Verbindlichkeit entkleidet: Punktierungen zuckten mit einer Schärfe, wie sie einer Biber’schen Battaglia angestanden wären, die Schwankungen zwischen Dur und Moll verunsicherten exemplarisch, die Moll-Sforzati im vorgeblich heiteren Finale sausten wie Fallbeile nieder. Bemerkenswert, wie danach Schostakowitsch im abgedunkelten Saal tröstlich, fast abgeklärt klang. Auch Aufbegehren, Schmerz und Klage zogen in kleiner, meditativer Distanz vorüber – Stationen auf dem Weg ins Nichts. Bewundernswerte Konsequenz auch bei der Zugabe, der Cavatina aus Beethovens Opus 130: noch ein spätes Adagio. Da verdichteten sich die Stimmen zart und doch mit gesättigtem Klang – und im Rezitativabschnitt schluchzte die erste Violine, wahrlich „beklemmt“, wie Beethoven ausdrücklich fordert, über geheimnisvollen Triolen: Töne, die um Worte ringen.