Die Presse

Belcea-Quartett: Stationen auf dem Weg ins Nichts

Letzte Worte von Schubert und Schostakow­itsch im Konzerthau­s.

- VON WALTER WEIDRINGER

Eineinhalb Jahrhunder­te trennen die letzten Streichqua­rtette von Schubert und Schostakow­itsch. In punkto unablässig­er Intensität gleichen sie einander jedoch – das Werk in G-Dur D 887 mit seiner orchestral anmutenden Weiträumig­keit, in dem zumal beim wiegenden, kreisenden Seitenthem­a des Stirnsatze­s das Zeitempfin­den schwindet, und das es-Moll-Quartett op. 144, bei dem über sechs pausenlose­n Adagio-Sätzen Nachtschwä­rze lastet. Zusammen sind sie fast zu viel für einen einzigen Abend. Ganz ohne Verluste ging das deshalb auch beim Belcea-Quartett nicht ab, besonders vor der Pause; doch entschädig­te das famose Ensemble dafür mit individuel­len, teilweise sogar eigenwilli­g zugespitzt­en Deutungen.

Schubert erklang herb, schneidend, aller „wienerisch­en“Verbindlic­hkeit entkleidet: Punktierun­gen zuckten mit einer Schärfe, wie sie einer Biber’schen Battaglia angestande­n wären, die Schwankung­en zwischen Dur und Moll verunsiche­rten exemplaris­ch, die Moll-Sforzati im vorgeblich heiteren Finale sausten wie Fallbeile nieder. Bemerkensw­ert, wie danach Schostakow­itsch im abgedunkel­ten Saal tröstlich, fast abgeklärt klang. Auch Aufbegehre­n, Schmerz und Klage zogen in kleiner, meditative­r Distanz vorüber – Stationen auf dem Weg ins Nichts. Bewunderns­werte Konsequenz auch bei der Zugabe, der Cavatina aus Beethovens Opus 130: noch ein spätes Adagio. Da verdichtet­en sich die Stimmen zart und doch mit gesättigte­m Klang – und im Rezitativa­bschnitt schluchzte die erste Violine, wahrlich „beklemmt“, wie Beethoven ausdrückli­ch fordert, über geheimnisv­ollen Triolen: Töne, die um Worte ringen.

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