So schön kann Hedonismus sein
Film. Terrence Malicks „Song to Song“wirkt stellenweise wie eine Kopie von „Knight of Cups“– ein wilder Bewusstseinsstrom, Figuren, die durchs Leben torkeln, in grandiosen Bildern.
In der Frage, was von Terrence Malick und seinen Filmen zu halten ist, scheiden sich schon seit 40 Jahren die Geister. Damals verglich Pauline Kael das Melodram „In der Glut des Südens“mit einem leeren Weihnachtsbaum, der sich mit jeder x-beliebigen Metapher schmücken ließe. Von Martin Scorsese stammt hingegen das Bonmot, man könne jedes Einzelbild des Films vergrößern und vorbehaltlos in einem Museum ausstellen. Als Malick danach für 20 Jahre untertauchte, verstummte diese Debatte allmählich wieder. Seine frühen Filme wurden zu Meisterwerken erklärt und „Der schmale Grat“, mit dem er aus der Versenkung wiederauftauchte, mit einhelliger Begeisterung aufgenommen. Seine anschließende Verweigerung, öffentlich aufzutreten, trug gleichzeitig zur Entstehung der Legende vom geheimnisvollen Genie bei, das lieber daheim Heidegger liest, statt zur Oscar-Gala zu gehen.
Erst sein kosmisches Familiendrama „The Tree of Life“setzte der kollektiven Zustimmung ein Ende und ließ die längst vergessene Gretchenfrage wiederauflodern, ob Malick nun ein visionärer Hyperästhet oder doch nur ein prätentiöser Hochstapler ist. Seitdem hat sich das Publikum in Bewunderer und Verächter entzweit – und das bis heute. Nachdem er in ungewöhnlich kurzer Zeit drei Selbstfindungsdramen gedreht hat, die in der Gegenwart spielen, haben sich die Einwände zu wiederholen begonnen. Kitsch heißt es. Christliche Propaganda von einem Erzkonservativen mit esoterischen Anwandlungen, heißt es dann wieder. Ein Stümper, der keine Szenen zusammenschneiden kann, ohne dass dabei ein Scherbenhaufen aus Fragmenten herauskommt. Einzig die Kritik an seiner Fixierung für makellos schöne Menschen mit trivialen Luxusproblemen ist etwas neuer und origineller.
Liebe, Seitensprünge, Polygamie
Der Geschmähte nimmt es gelassen. Wie ein aktuelles Roundtable-Video auf YouTube zeigt, hat er sogar schon seine Kamerascheu überwunden. Nur die Bewunderer sind etwas kleinlauter geworden. Einen neuen Malick-Film sitzen sie zwar immer noch durch, aber als eine Neuerfindung des Kinos preisen sie ihn nicht mehr an.
Die Abstände zwischen den Werken sind dafür zu kurz geworden. Und sie ähneln einander immer mehr. Das gilt vor allem für seinen neuen Film „Song to Song“, der zuweilen wie eine Kopie von „Knight of Cups“anmutet, nur diesmal mit einer weiblichen statt einer männlichen Hauptfigur und einem Schauplatzwechsel von Hollywood nach Austin. Aus dem Milieu der Hollywood-Schnösel wechselt der Film in das von lebenshungrigen Rockstars, Groupies und Plattenproduzenten. Im Grunde sind das zwei fotografische Studien über zeitgenössischen Hedonismus – mit Figuren, die wie heillos dahintreibende Blätter im Wind wirken, die nur noch von Song zu Song leben. Immer im freien Fall. Liebe. Seitensprünge. Polygamie. Man kann dem Augenblick nichts schuldig bleiben. Auch die Story könnte wieder auf einen Bierdeckel passen: Die Musikerin Faye (Rooney Mara) kommt mit dem Musiker BV (Ryan Gosling) zusammen, betrügt ihn dann aber mit ihrem gemeinsamen Boss (Michael Fassbender). Im Anschluss geraten alle in neue Beziehungen, die böse enden.
Neu ist das alles nicht. Wieder schwebt die Kamera in eleganter Schwerelosigkeit um tanzende oder torkelnde Figuren herum. Wieder werden ihre Erinnerungsbilder und Erkenntnisblitze zu einem wilden Bewusstseinsstrom zusammenmontiert. Wieder sind einander berührende Hände das Hauptmotiv. Trotzdem ist es immer noch interessant, wie Malick seinen Charakteren auch hier wieder eine extrem sinnliche Form aufprägt und es schafft, dieser unscheinbaren Community irgendeine sakrale Würde zu verleihen. Denn die Botschaft seiner Filme ist eigentlich relativ simpel: Sie besagt nur, dass man sich bereits am eigenen Dasein und an dem der anderen berauschen kann. Sein Kino ist im Grunde nur das Vergrößerungsglas dafür.