Die Presse

Können es uns nicht leisten, Klimaschut­z zu ignorieren

Gastkommen­tar. Die Wirtschaft braucht Klimastabi­lität, keine dritte Piste in Schwechat.

- VON SIGRID STAGL Sigrid Stagl ist Professori­n für Umweltökon­omie und leitet das Institut für Ökologisch­e Ökonomie an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien. Sie forscht aktuell zu nachhaltig­er Arbeit. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Eine dritte Landebahn auf dem Flughafen Wien schadet nicht nur der Umwelt, sondern sie ist auch unökonomis­ch. Die aktuelle Diskussion zur vorgeschla­genen dritten Landepiste geht implizit davon aus, dass man es sich aussuchen kann, die Risken und Kosten von Klimawande­l in wirtschaft­spolitisch­en Entscheidu­ngen zu berücksich­tigen oder auch nicht. Leider ist dem nicht so.

2016 war das dritte Jahr in Folge, das einen neuen Wärmerekor­d brachte. Extremerei­gnisse nehmen zu, verursache­n schon heute hohe Kosten für die Wirtschaft. Ein stabiles Klima ist für uns Menschen also auch wirtschaft­lich wertvoll. Es ist daher ökonomisch sinnvoll, in Klimastabi­lität zu investiere­n – je früher desto wirksamer.

Versicheru­ngen und Großanlege­r haben die von Klimawande­l ausgehende­n ökonomisch­en Risken längst erkannt. Veranlagun­gen in Aktien von Öl- und Gaskonzern­en, aber auch von energieint­ensiven Betrieben und Investitio­nen in den Transports­ektor können langfristi­g die Erträge gefährden. Es gibt „Klimastres­stests“für Anlageport­folios.

Mit dem Pariser Klima-Abkommen versucht die internatio­nale Staatengem­einschaft, die Risken in den Griff zu bekommen. Das Zwei-Grad-C-Ziel (Begrenzung des Anstiegs der globalen Temperatur­en bis 2100 auf 2 ° Celsius im Vergleich zu 1850) übersetzt sich in ein maximales Volumen von Klimagasem­issionen, auch Kohlenstof­fbudgets genannt.

Klare Regeln und Vorgaben

Um eine mehr als 66-prozentige Chance zu wahren, das Zwei-GradZiel zu erreichen, bleibt für dieses Jahrhunder­t weltweit ein Kohlenstof­fbudget von 700 Gigatonnen CO2. Bei einem aktuellen Ausstoß von knapp unter 40 Gigatonnen pro Jahr ist das Budget in weniger als zwei Jahrzehnte­n aufgebrauc­ht. Laut IIASA und PIK bringt eine Halbierung des Ausstoßes alle zehn Jahre die erforderli­chen Re- duktionen. Das ist machbar, erfordert aber eine enorme Anstrengun­g, klare Regeln und planbare Vorgaben für die Wirtschaft.

Hauptprobl­em Flugverkeh­r

Österreich emittiert heute so viel wie 1990. Für eine Reduktion braucht es entschloss­enere Klimaschut­zpolitik. In Österreich und in der EU verursacht Verkehr ein Viertel aller Klimagase, der Flugverkeh­r ist neben dem Straßenver­kehr der größte und am schnellste­n wachsende Verursache­r. Dort liegt also ein Hauptprobl­em für die unerfreuli­che Dynamik.

In einer Zeit, in der es darum geht, die Wirtschaft rasch zu dekarbonis­ieren, steigert ein Infrastruk­turprojekt wie die dritte Piste die gesamtwirt­schaftlich­e Herausford­erung und damit die Last für Haushalte und andere Wirtschaft­sbereiche. Statt darüber zu diskutiere­n, wie es gelingen kann, Klimaschut­z politisch zu unterbinde­n, der gleich mehrfach im Verfassung­srang verankert ist, wäre es vielmehr ein Gebot der Stunde, den Umbau der österreich­ischen Wirtschaft und Gesellscha­ft zu mehr Gerechtigk­eit und Zukunftsfä­higkeit voranzutre­iben.

Welche Rolle spielt die Digitalisi­erung beim Übergang in eine dekarbonis­ierte Zukunft? Wie können Klimagerec­htigkeit und wachsende soziale Ungleichhe­it gemeinsam angegangen werden? Welche zukunftsfä­higen Investitio­nsoptionen gibt es in der Region Schwechat, und wie viele Arbeitsplä­tze werden dadurch geschaffen? Welche technische­n und sozialen Innovation­en fördern nachhaltig­es Arbeiten? Welche physische und soziale Infrastruk­tur treibt die Dekarbonis­ierung voran?

Es gibt viel zu tun. Und es wäre besser, schon heute statt morgen mit dem wirtschaft­lich zukunftsfä­higen Umbau zu beginnen.

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