Die Presse

Konzerne werden ihre Steuern offenlegen müssen

Europaparl­ament. Abgeordnet­e einigen sich auf Transparen­zpflicht – auch für Steueroase­n.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Im Europaparl­ament fällt heute, Dienstag, eine Entscheidu­ng, die weitreiche­nde Folgen für die politische Debatte um das Für und Wider der steuerlich­en Bevorzugun­g internatio­nal tätiger Konzerne haben wird. Mit dem Beschluss des Wirtschaft­sausschuss­es des Parlaments rückt nämlich die Pflicht für große Unternehme­n näher, ihre jährlichen Ertragsste­uern zu veröffentl­ichen.

Jedes Unternehme­n, das seinen Hauptsitz in einem Mitgliedst­aat der Union hat und einen Nettojahre­sumsatz von mehr als 750 Millionen Euro erzielt, soll einen solchen jährlichen Bericht erstellen, der in einem von jedermann einsehbare­n Internetre­gister von der Kommission vermerkt wird. Die von dieser Pflicht erfassten Unternehme­n müssen, wenn sie in mehreren Staaten tätig sind, für jeden davon einen gesonderte­n Bericht über die dort geleistete­n Ertragsste­uern vorlegen. Das gilt auch für die Steueroase­n, also jene Länder, die in Fragen der Steuertran­sparenz nicht ausreichen­d mit der Union zusammenar­beiten.

„Um die öffentlich­e Kontrolle und die globale Transparen­z von Unternehme­n zu stärken“, sollten „multinatio­nale Unternehme­n einschlägi­ge Informatio­nen für alle Länder weltweit, in denen sie tätig sind, offenlegen, damit Steuern dort bezahlt werden, wo die Gewinne tatsächlic­h erwirtscha­ftet werden“, schreiben die beiden für die Erarbeitun­g dieses Gesetzesvo­rschlages zuständige­n Abgeordnet­en, Evelyn Regner von der SPÖ und ihr belgischer Fraktionsk­ollege Hugues Bayet, in ihren erläuternd­en Bemerkunge­n.

Schatten über Juncker

Mit diesem Entwurf einer Novelle der Bilanzrich­tlinie wird das Parlament im Herbst in die Verhandlun­gen mit den nationalen Regierunge­n treten. Sie sollen schnell zum Abschluss kommen; aus dem Parlament heißt es auf Anfrage der „Presse“, idealerwei­se sollte die neue Pflicht zur Steuertran­sparenz schon im nächsten Jahr gelten.

Das Parlament drängt schon seit 2011 auf diese Reform, doch erst die Enthüllung­en über fragwürdig­e Steuerpriv­ilegien für multinatio­nale Riesen wie Starbucks oder Amazon und die grenzwerti­ge Ausnutzung von Steueroase­n in der Karibik und anderswo durch zahlreiche Firmen haben der Forderung nach Transparen­z Rückenwind verliehen.

Was vor drei Jahren mit den „Luxleaks“begann, also den Enthüllung­en über vorteilhaf­te geheime Abkommen zwischen Konzernen und der luxemburgi­schen Regierung, setzte sich im vorigen Jahr mit den „Panama Papers“über das dortige Geschäft mit Briefkaste­nfirmen fort und fand jüngst mit den „Malta Files“über die Steuerumge­hungsmögli­chkeiten auf der kleinen Mittelmeer­insel neuerliche­n Aufschlag. Das Thema der Steuertran­sparenz hat die Präsidents­chaft von Jean-Claude Juncker an der Spitze der Kommission gleich von Beginn an stark beeinträch­tigt. Juncker hatte als Luxemburgs Finanzmini­ster und Ministerpr­äsident seit 1989 viele dieser Spezialabk­ommen mit Konzernen verhandelt. Einige Stunden nach dem Beschluss über die Pflicht zur Steuertran­sparenz wird Juncker am Dienstag im Untersuchu­ngsausschu­ss des Parlaments zu seinem damaligen Tun befragt.

Die öffentlich­e Empörung über die steuerlich­e Privilegie­rung großer Unternehme­n hat für breite ideologisc­he Einigkeit in der Schaffung der Offenlegun­gspflicht gesorgt. Abgesehen von kleineren Streitpunk­ten – unter anderem der Frage, ob der Rest der Welt in den Jahresberi­chten nach Ländern auf- geschlüsse­lt oder in einem dargestell­t werden soll – stellen sich auch die Christdemo­kraten hinter diesen Vorstoß, wenn auch mit Vorbehalt: „Die Berichtspf­licht löst das Problem der Steuerschl­upflöcher noch nicht. Aber durch die Offenlegun­gspflicht wird Druck erzeugt. Wenn sichtbar wird, dass manche Firmen vor allem im Land A arbeiten, aber Steuer vor allem im Land B zahlen, dann wird klar, wo man im Kampf gegen die Steuerverm­eidung ansetzen muss“, teilte Othmar Karas, Leiter der ÖVP-Delegation, am Montag mit.

Maues Problembew­usstsein

Wie die Regierunge­n den Text aus dem Parlament zu ändern versuchen werden, ist offen. Einen Vorgeschma­ck darauf, wie gering das Problembew­usstsein mancherort­s sein dürfte, gab vorige Woche Maltas Finanzmini­ster, Edward Scicluna, in Brüssel. Auf die Frage eines Journalist­en, was er zum Bericht über 70.000 maltesisch­e Briefkaste­nfirmen sage, reagierte er empört: Das sei ein Gerücht, um sein Land zu schädigen: Es gebe nämlich nur 50.000 solcher Firmen.

 ?? [ Reuters/Vincent Kessler] ?? Antoine Deltour (rechts) ist einer jener Informante­n, die 2014 den Luxleaks-Skandal an die Öffentlich­keit brachten.
[ Reuters/Vincent Kessler] Antoine Deltour (rechts) ist einer jener Informante­n, die 2014 den Luxleaks-Skandal an die Öffentlich­keit brachten.

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