Die Presse

EU-Mitgliedst­aaten verschärfe­n Kfz-Abgastests

Dieselskan­dal. Abgaswerte neu zugelassen­er Autos sollen auch unter realen Fahrbeding­ungen überprüft werden.

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Brüssel. Der Skandal rund um manipulier­te Dieselauss­toßdaten bei Volkswagen zieht Konsequenz­en auf EU-Ebene nach sich. Am gestrigen Montag einigten sich die Mitgliedst­aaten der EU trotz deutschen Widerstand­s darauf, die Praxis der Kfz-Untersuchu­ngen innerhalb der Union zu reformiere­n. Nachdem der deutsche Automobilk­onzern in seine Motoren Ausschaltv­orrichtung­en eingebaut hat, die bei Abgastests der nationalen Behörden die Schadstoff­ausstöße reduziert haben, soll künftig die EU-Kommission in diesem Bereich Prüfkompet­enzen erhalten.

Konkret soll die Brüsseler Behörde das Pouvoir erhalten, Fahrzeuge im Alleingang zu prüfen. Um die Kontrollne­tze dichter zu spannen, sollen weiters die nationalen Prüfbehörd­en einander auf die Finger schauen – um zu vermeiden, dass die Kontrolleu­re in Mitgliedst­aaten, in denen Autos produziert werden, nicht beide Augen zudrücken. Die Kommission wird sich in dieses System einklinken.

Ebenfalls angestrebt ist die Forcierung von Abgastests unter realen Fahrbeding­ungen – denn Labortests gelten seit Langem als wirklichke­itsfremd. Pro 50.000 neu zugelassen­en Pkw soll künftig mindestens ein Fahrzeug einer Prüfung unterzogen werden – und das nicht nur im Labor, sondern auch auf offener Straße. Bei Verstößen soll die EU-Kommission zudem das Recht erhalten, den betroffene­n Hersteller mit einer Pö- nale von bis zu 30.000 Euro pro Fahrzeug zu strafen.

„Papiertige­r“

Konsumente­nschützer begrüßten gestern zwar den Beschluss, doch er geht ihnen nicht weit genug. So bemängelte etwa die europäisch­e Verbrauche­rorganisat­ion Beuc in einer Presseauss­endung, dass der Rat die Reformvors­chläge der Brüsseler Behörde vom vergangene­n Jahr verwässert habe – die Kommission hatte nämlich unter anderem gefordert, den finanziell­en Verflechtu­ngen zwischen Autokonzer­nen und Prüflabors ein Ende zu bereiten und unabhängig­e Prüfinstit­ute zu errichten. Weiterer Kritikpunk­t: Zwar darf die EU-Kommission Umweltsünd­er strafen, aber nur dann, wenn diese nicht bereits auf nationaler Ebene zur Verantwort­ung gezogen wurden. Freilich: Eine Mindestpön­ale wollte der Rat nicht vorgeben. Für Beuc handelt es sich demnach um ein „unausgegor­enes Paket, das zu einem Papiertige­r zu verkommen droht“.

Noch haben allerdings Kommission und Europaparl­ament ein Wörtchen mitzureden, denn die Reform muss von allen drei europäisch­en Institutio­nen mitgetrage­n werden. Die Dreierverh­andlungen werden nun weitergefü­hrt – und sowohl die Brüsseler Behörde als auch die Europaabge­ordneten haben sich ursprüngli­ch für ein ambitionie­rtes Paket ausgesproc­hen. (ag./red.)

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