Leichter lesbare Texte? Nicht mit der Weltbank!
Paul Romer, der Chefökonom der Weltbank, forderte verständliche Berichte – und ruinierte damit seine Karriere. Der heiße Anwärter für den Nobelpreis steht nun als General ohne Armee da.
Journalisten wissen ein Lied davon zu singen: Ökonomen schreiben oft unverständlich – geschwollen, verschachtelt und in einer Fachsprache, die für Uneingeweihte wie ein Geheimcode klingt. Dabei geht es in ihren Arbeiten um Themen, die uns alle betreffen. Also scheint es erfreulich, wenn einer von ihnen für Abhilfe sorgt: Paul Romer, der Chefökonom der Weltbank, forderte seine Mitarbeiter in internen Memos auf, sich klarer, knapper und präziser auszudrücken. „An den Leser zu denken“gehöre zur „Empathie, die wir entwickeln sollten“. Sogar einen Leitfaden lieferte er mit. Nett, oder?
Er hätte es besser bleiben lassen: Bei den 600 Wissenschaftlern in seiner Forschungsabteilung stieß der Wunsch nach verständlichen Texten auf blankes Unverständnis. Sie intri- gierten gegen ihren Vorgesetzten, was in der Washingtoner Wagenburg der klugen Köpfe lange Tradition hat. Mit Erfolg: Weltbank-Präsident Kim hat dem Unruhestifter die Managementverantwortung entzogen. Damit steht der hoch angesehene Wachstumsforscher, der seit Jahren als heißer Anwärter für den Wirtschaftsnobelpreis gilt, wie ein General ohne Armee da.
Freilich: Romer hatte einen echten Kreuzzug geführt. Er forderte kürzere E-Mails, cancelte Publikationen, weil er in ihnen keine klare Aussage fand, und schnitt den Vortragenden bei ausufernden Präsentationen das Wort ab. Bei seiner Kritik berief er sich auf eine externe Untersuchung. Die Uni Stanford stellte schon vor zwei Jahren fest: Der Stil der WeltbankÖkonomen ist „immer verklausulierter, selbstbezüglicher und losgelöster von der Alltagssprache“. Romer selbst stieß sich besonders am Wörtchen „und“. Mit diesem scheinbar harmlosen Bindewort presse nämlich jeder sein Lieblingsprojekt oder Spezialthema in die Dokumente. Empirisch nachgewiesen: Mit fast sieben Prozent Anteil, analysierte der Forscher sauber, ist „und“das häufigste Wort in der Prosa der Weltbank. Der Schnitt in anderen wissenschaftlichen Publikationen liegt nur bei 2,6 Prozent. In den frühen Jahren kam auch der 1946 gegründete Geldgeber armer Staaten mit diesem knappen Kontingent aus.
Deshalb die Vorgabe: Im nächsten „World Development Report“darf die Häufigkeit der inkriminierten Konjunktion die magische Schwelle nicht überschreiten. Zugegeben, ein wenig schrullig ist das schon. Für Romer geht es aber um nicht weniger als um die „Grundlage für das Vertrauen in die Wissenschaft“. Weil auch wir wollen, dass uns die Leser vertrauen: Der „Und“-Anteil in diesem Artikel beträgt schlanke 2,1 Prozent. Na bitte, es geht doch, mit ein wenig gutem Willen!