Trump bringt EU und China näher
China-EU-Gipfel. Bisher hatte das Treffen wegen inhaltlicher Differenzen kaum Bedeutung. Der Protektionist im Weißen Haus könnte neue Dynamik ins Verhältnis EU/China bringen – zumindest auf symbolischer Ebene.
Peking/Brüssel. Keine roten Teppiche bei der Ankunft auf dem Flughafen, auch keine mit Blumen gesäumten Alleen – als beim letzten Gipfeltreffen zwischen der EU und China vor einem Jahr Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach Peking angereist waren, blieb der sonst bei Besuchen von ranghohen Gästen in China übliche Pomp aus. Auch die Ergebnisse der Verhandlungen mit Chinas Premierminister, Li Keqiang, blieben dünn. Die Gipfelteilnehmer würden sich für ein „umfassendes Investitionsabkommen“einsetzen, hieß es in der Abschlusserklärung. Gleiches gelte für „globale Fragen wie Entwicklungshilfe oder Klimawandel“. Die Chinesen maßen dem Gipfel nur wenig Bedeutung bei – zu uneins sind aus Sicht der chinesischen Führung die EU-Länder, zu vage die Beschlüsse. Auch in Europa war das Interesse gering.
Doch im Nachhinein können sich zumindest die EU-Vertreter glücklich über diese Ergebnisse schätzen. Beim jüngsten G7-Gipfel auf Sizilien gelang es den europäischen Regierungschefs nicht einmal mehr, Begriffe wie Klimawandel und Migrationskrise in die Abschlusserklärung aufzunehmen. Der seit Jahresbeginn amtierende US-Präsident Donald Trump blockierte alles.
Und so könnte der diesjährige China-EUGipfel, der am morgigen Donnerstag in Brüssel beginnt und zu dem Premier Li im Namen von Staats- und Parteichef Xi Jinping anreist, unverhofft an Bedeutung gewinnen – wenn auch vor allem symbolischer Natur. Die Beziehungen zwischen China und Europa seien nicht immer einfach gewesen, schreibt Chinas amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Doch in Zeiten des zunehmenden Protektionismus sei es umso wichtiger, dass Chinesen und Europäer an einem Strang zögen. „China und Europa sollten zusammenarbeiten [. . .] um der Weltwirtschaft zu neuer Dynamik zu verhelfen.“
Volksrepublik ohne freie Märkte
Dabei gibt es zahlreiche ungelöste Konflikte. Die chinesische Führung wurmt vor allem, dass die EU die Volksrepublik bis heute nicht als Marktwirtschaft anerkennt. Solange China dieser Status verwehrt bleibt, ist es den EU-Ländern erlaubt, chinesische Importe mit Antidumping-Schutzzöllen zu belegen.
Als China vor 15 Jahren der Welthandelsorganisation beitrat, hatten die Industrieländer den Marktwirtschaftsstatus bis spätestens Ende 2016 in Aussicht gestellt, damals noch in der Annahme, dass sich China bis dahin schon zu einer freien Marktwirtschaft entwickeln würde. Doch in den letzten Jahren sind die Zweifel gewachsen. Derzeit häufen sich die Klagen, dass Chinas Unternehmen mit einer massiven Überproduktion von Stahl, Kohle und Solarpaneelen die Weltmärkte überschwemmen und mit Dumpingpreisen ausländische Konkurrenten aus dem Markt drängen. Das Europaparlament verweigert bislang seine Zustimmung.
China hatte 2016 noch mit Gegenmaßnahmen gedroht, falls die EU sich bis Jahresende nicht bewegt. Diese Frist ist abgelaufen. Doch im Zuge der Wahl von Trump zum USPräsidenten, der wegen Chinas Überschüssen im Handel mit den USA mit viel höheren Strafzöllen droht, ist der Streit zwischen China und der EU in den Hintergrund gerückt.
Beim Gipfel in Brüssel am Donnerstag will China dieses Thema wieder auf die Tagesordnung setzen. Und plötzlich scheint der Marktwirtschaftsstatus kein Problem mehr zu sein. Deutschlands Außenminister, Sigmar Gabriel, meinte bei seinem Besuch vergangene Woche in Peking, diesen Status bekomme China als WTO-Mitglied ohnehin. Die EU würde sich künftig im Einzelfall mit neuen Schutzmechanismen gegen Dumpingpraktiken wehren. Diese Regelung sei aber nicht gegen bestimmte Staaten ge- richtet. Bei seiner letzten Visite vor nicht einmal einem Jahr klang er noch sehr viel aggressiver.
Je stärker die Außenpolitik der USA in Spannung zu europäischen Kerninteressen gerate, desto mehr werde China für Europa an Bedeutung gewinnen, vermutet Sebastian Heilmann, Leiter des Berliner China-Instituts Merics. Anders als die Trump-Regierung sei die Volksrepublik zwar ein „schwieriger, aber berechenbarer Partner“.
Freilich sind die transatlantischen Bande abseits von Trump einmalig eng geknüpft: Das jährliche Handelsvolumen zwischen den USA und der EU beläuft sich auf rund eine Billion Euro, 62.000 US-Soldaten sind in Europa stationiert, in Brüssel befindet sich das Hauptquartier des Militärbündnisses Nato, und die europäischen Direktinvestitionen in den USA übersteigen die Summe aller EU-Investitionen in China und Indien um das Achtfache. Als Ersatz für die USA kann China nicht dienen – wohl eher als Ergänzung.