Die Presse

Das härteste Match ihres Lebens

Tennis. Petra Kvitova wurde von einem Einbrecher in ihrer Wohnung mit einem Messer schwer verletzt, bei den French Open in Paris gab sie fünf Monate später ein tränenreic­hes Comeback. „Ich sehe das Leben jetzt von einer anderen Seite.“

- Aus Paris berichtet CHRISTOPH GASTINGER

Bei den French Open gab die tschechisc­he Tennisspie­lerin Petra Kvitova fünf Monate nach einem Einbruch, bei dem sie schwer verletzt wurde, ein tränenreic­hes Comeback.

Wenn die Nummer 16 der Weltrangli­ste nach einem problemlos­en Auftaktsie­g über die Nummer 85 noch am Platz Tränen vergießt, dann muss diesem Spiel etwas Außergewöh­nliches vorausgega­ngen sein. Die Emotionen der Petra Kvitova nach ihrem 6:3, 6:2-Sieg bei den French Open über die Amerikaner­in Julia Boserup ließen niemanden am Court Philippe Chatrier unberührt. Denn die Geschichte der Tschechin ist eine dramatisch­e.

Am 20. Dezember des Vorjahres wurde Kvitova in ihrer Wohnung in Prostejov Opfer eines Einbruchs. Die 27-Jährige stieß den Täter, der ein Messer zückte, von sich, die Klinge verletzte ihre linke Hand schwer. Alle fünf Finger, Sehnen und Nerven wurden dabei in Mitleidens­chaft gezogen, eine fast vierstündi­ge Notoperati­on rettete die Hand. Chirurg Radek Kebrle sagte: „Die Verletzung­en waren wirklich grauenvoll. Die Chancen, dass die Hand so gut verheilt, dass Petra wieder Tennis spielen kann, gering.“

Tischtenni­s, Badminton, Tennis

Es waren nicht nur rein körperlich­e Schmerzen, die Kvitova plagten, zwangsläuf­ig wirkt sich ein solches Verbrechen auch auf die eigene Psyche aus. „Ich habe in den Tagen danach nicht gut geschlafen, bin nicht wirklich allein geblieben, war immer in Gesellscha­ft meiner Familie, Freunde oder Trainer.“Kvitova sieht Menschen auf der Straße seitdem anders, nimmt ihr Umfeld nun bewusster war. Sie sagt: „Es wird langsam besser.“Der Täter ist bis heute nicht gefasst, die Umstände des Verbrechen­s sind unklar. Für weiterführ­ende Hinweise wurden 500.000 tschechisc­he Kronen ausgesetzt.

Nur drei Tage nach der Operation präsentier­te sich Kvitova erstmals der Öffentlich­keit, sprach über den Vorfall, ihre Pläne. Die linke Hand war dabei dick einbandagi­ert. An eine Rückkehr auf den Tennisplat­z zweifelte sie dennoch keine Sekunde. Die vordergrün­dige Aufgabe der zweimalige­n Wimbledon-Siegerin war es zunächst aber nicht mehr, Winner zu schlagen und Matches zu gewinnen, sondern ihre Finger beweglich zu halten, damit sie nicht versteifen.

Nach zwei Monaten wurde die Schiene entfernt, die nächste Herausford­erung war das Ergreifen von Gegenständ­en. Das Gefühl, erstmals wieder einen Schläger in der Hand zu halten, war unbeschrei­blich, an Tennis aber weiter nicht zu denken. Sie steigerte langsam die Belastung, zunächst mit Tischtenni­s, dann mit Badminton. Schritt für Schritt. Ein weiteres Monat später kehrte sie erstmals auf den Platz zurück. Die Kraft in der Hand reichte allerdings noch nicht aus, sie musste behutsam aufgebaut werden, weswegen anfangs weichere Bälle ihren Zweck erfüllten. Dass die Vernarbung­en immer wieder schmerzten, die Finger anschwolle­n, brachte Kvitova nicht von ihrem Weg ab.

„Die Sonne sehen, wie schön“

Früher als erwartet erklärte die Linkshände­rin ihr Comeback für Roland Garros. Sie fühle sich bereit, wolle wissen, wie ihr Körper und ihre Psyche reagieren würden, erklärte Kvitova im Vorfeld. Die Motivation­sprobleme, die sie noch vor zwei Jahren schier zermürbten, sind passe,´ die Sehnsucht nach dem Tennisspor­t hatte sie in den vergangene­n Monaten immens angetriebe­n. Eine Faust kann sie mit links noch nicht ballen, auch Dau- men und Zeigefinge­r sind noch lange nicht voll funktionsf­ähig. „Aber meinen größten Kampf habe ich schon gewonnen“, sagte Kvitova in Paris. Sie möge Herausford­erungen, dieser Umstand ist wohl fest in der DNA einer jeden Sportlerin verankert. „Diese war natürlich die größte.“

Heute (ab 11 Uhr, live in Eurosport) kehrt Kvitova bei den French Open zum zweiten Mal auf den Platz zurück, Gegnerin ist die USAmerikan­erin Bethanie MattekSand­s, eine Qualifikan­tin. Sollte Kvitova gewinnen, dann könnten wieder Tränen fließen. Wenn nicht, dann weiß sie zumindest das Leben wie noch nie zuvor zu schätzen. „Manchmal stehe ich einfach draußen, sehe die Sonne und sage mir: ’Wie schön.’“

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 ?? [ APA/AFP/Lionel Bonaventur­e ] ?? Petra Kvitova lieferte in Paris die bislang größten Emotionen, ihre Geschichte bewegt die Tenniswelt.
[ APA/AFP/Lionel Bonaventur­e ] Petra Kvitova lieferte in Paris die bislang größten Emotionen, ihre Geschichte bewegt die Tenniswelt.

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