Was Gegengeschäfte mit Korruption zu tun haben
Analyse. Bei den Eurofightern könnten Gegengeschäfte einen Vorwand für Bestechungszahlungen geliefert haben.
Wien. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) hat am Montag ein Ende für Gegengeschäftsvereinbarungen bei Beschaffungen des Bundesheeres angekündigt. Diese seien ein „Einfallstor für Korruption und Bestechung“. Bei laufenden Beschaffungsvorgängen gebe es auch Firmen, die Angebote ohne Gegengeschäft gemacht hätten, fügte der Minister wohlwollend an.
Die Trauer bei den Rüstungsfirmen über das Ende der Gegengeschäftspraxis wird sich aber wohl in Grenzen halten. Denn natürlich waren nicht sie es, die der Republik Gegengeschäfte aufs Auge gedrückt hätten, sondern genau umgekehrt: Die Regierung hat bei jedem Ankauf von Rüstungsgütern heftig um Gegengeschäfte gekämpft. Je mehr, desto besser, lautete die Devise. Schließlich sollten heimische Firmen, wenn sie schon selbst nicht die geforderten Panzer oder Flugzeuge liefern konnten, doch indirekt von der Anschaffung profitieren.
Die Eurofighter waren die mit Abstand größte Beschaffung in der Geschichte der Republik – und damit auch die Möglichkeit, das größte Gegengeschäftsvolumen zu lukrieren. Der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wollte dem Publikum sogar weiß machen, dass die Eurofighter dadurch sogar irgendwie finanziert würden – und zwar über eine wirtschaftliche Plattform.
200 Prozent vom Kaufpreis beträgt das vertraglich vereinbarte Gegengeschäftsvolumen. Das sind, nach der Reduktion des Kaufpreises im Jahr 2007, knapp mehr als 3,4 Milliarden Euro. Der Deal lautet: Unternehmen, die zum Eurofighter-Konsortium gehören, erteilen österreichischen Firmen Aufträge in diesem Volumen. Und zwar Neuaufträge, die ohne die Gegengeschäftsvereinbarung nicht zustande gekommen wären. Ob diese Vorgabe erfüllt wird, hat das Wirtschaftsministerium zu prüfen. Kommen die Gegengeschäfte nicht in vereinbartem Ausmaß zustande, muss Eurofighter eine Pönale von fünf Prozent zahlen.
Was ist ein Neugeschäft?
Diese Konstellation ist anfällig für unterschiedliche Interpretationen: Wann ist nun ein Geschäft tatsächlich Neugeschäft? Wann stimmt es, dass es ohne Vereinbarung nicht zustande gekommen wäre? Das lässt sich letztlich nie überprüfen. Vertreter namhafter österreichischer Unternehmen erklären in vertraulichen Gesprächen, wie es tatsächlich abgelaufen ist: Wer sich bei einem Autohersteller (beispielsweise Daimler) oder Rüs- tungskonzern um einen Auftrag bemüht, muss erstens die technischen Voraussetzungen erfüllen, zweitens vom Preis her vorne liegen. Wenn es dann noch zwei gleichwertige Anbieter gab, konnte das Argument Gegengeschäft den Ausschlag geben. „Aber der Einfluss ist minimal“, so der Manager eines Konzerns, der mit namhaften Beträgen auf der Gegengeschäftsliste aufscheint. Aber freilich: Eine Bestätigung für das Wirtschaftsministerium, dass es sich um ein Gegengeschäft handelt, gab man bald einmal ab. Damit konnte man den Auftraggeber zufrieden stellen, und es kostete ja nichts.
So sind auch die Aussagen von Frank Stronach zu verstehen, der im Nationalratswahlkampf 2013 darauf pochte, dass Magna nicht von den Gegengeschäften profitiert habe: Natürlich hat gerade Magna seine Aufträge deshalb bekommen, weil man sich im Wettbewerb durchsetzen konnte. Aber die Magna-Manager haben eben auch die Gegengeschäfte bestätigt. Das im Wahlkampf abzustreiten, war nicht die klügste Idee.
Laut Wirtschaftsministerium sind zwischen 2003 und 2010 Gegengeschäfte mit einem Gesamtvolumen von knapp über vier Milliarden Euro eingereicht worden. Davon wurden 1376 Geschäfte von 280 Firmen anerkannt. Das entspricht einem Volumen von 3,325 Milliarden Euro, also knapp weniger als vereinbart. Das Wirtschaftsministerium hat die Aufträge auf einer 28 Seiten langen Liste online gestellt. Größte Nutznießer sind der LkwHersteller MAN, der Lkw um 787 Mio. Euro an die britische Armee lieferte, der Flugzeugzulieferer FACC, der zu einem Top-Lieferanten bei Airbus aufstieg und Magna.
Was hat das alles nun mit Korruption zu tun? Eigentlich herzlich wenig, weil es im Normalfall ja keinerlei Bestechung bedarf, damit ein Zulieferer einen Auftrag eines Großkonzerns annimmt. Ausnahmen gibt es: Im Falle des Feuerwehr-Ausrüsters Rosenbauer dürfte laut einem „profil“-Bericht Geld geflossen sein, damit ein Geschäft beim Wirtschaftsministerium eingereicht wird. Unter Korruptionsverdacht sind die Gegengeschäfte aber aus einem anderen Grund gekommen: Airbus hat sie möglicherweise als Vorwand genommen, um einen Schmiergeldkreislauf in Gang zu setzen. Der Konzern hat 114 Millionen Euro an das Vector AerospaceNetzwerk gezahlt, mit dem offiziellen Auftrag, die Gegengeschäftsvereinbarung abzuwickeln. In Wirklichkeit dürften aber unter diesem Deckmantel ganz andere Geschäfte gelaufen sein.