Die Presse

Auf der Suche nach dem Transeurop­a-Express

Gratis-Interrail. Europaabge­ordnete forderten Gratistick­ets für alle 18-jährigen EU-Bürger, die Kommission winkte ab: Mit geschätzte­n Kosten von zwei Milliarden Euro pro Jahr sei die Idee zu teuer.

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Wien. Seit vier Jahrzehnte­n bietet ein Interrail-Ticket jungen (und jung gebliebene­n) Rucksackto­uristen die Möglichkei­t, Europa mit der Bahn zu erkunden. Rund 300.000 Europäer nehmen pro Jahr das Angebot der europäisch­en Bahngesell­schaften in Anspruch – insofern war es nicht verwunderl­ich, dass das Europaparl­ament Interrail als Vehikel der europäisch­en Integratio­n entdeckt hat. Ähnlich wie das Austauschp­rogramm Erasmus solle Interrail künftig die Verständig­ung zwischen jungen EU-Bürgern fördern, lautete das Ansinnen der Europaabge­ordneten. Ihre Forderung war bestechend simpel: Gratis-Interrail für alle 18-Jährigen. Ein solches Programm „könnte der Schlüssel für die Schaffung einer positiven Wahrneh- mung der EU unter jüngeren Generation­en sein“, sagte Manfred Weber (CSU), der Fraktionsv­orsitzende der Europäisch­en Volksparte­i im Europaparl­ament, im Oktober 2016.

Die EU-Kommission, die eine entspreche­nde Gesetzesin­itiative präsentier­en müsste, reagierte zunächst zustimmend: Die Idee sei gut, müsse aber auf ihre Machbarkei­t geprüft werden, sagte die für Verkehrspo­litik zuständige Kommissari­n, Violeta Bulc, Ende 2016. Diese Überprüfun­g fiel allerdings eindeutig negativ aus: Nach Berechnung­en der Brüsseler Behörde würde die Umsetzung der Forderung der Europaabge­ordneten pro Jahr zwei Milliarden Euro kosten – und damit in etwa so viel wie Erasmus+, für das im Zeitraum von 2014 bis 2020 insgesamt rund 14 Milliarden Euro budgetiert wurden. Dessen nicht genug: Nach Ansicht der Kommission­sexperten würde Gratis-Interrail für alle die innereurop­äische Ungleichhe­it fördern. Grund: Das Bahnticket wäre zwar gratis, doch die Unterkunft in teuren (und bei Teenagern begehrten) Metropolen wie Paris oder London würden sich nur Jugendlich­e aus gut situierten Familien leisten können. Das Fazit der Kommission: Die Idee ist gut gemeint, aber zu teuer, unpraktika­bel und könnte nur auf Kosten von Erasmus verwirklic­ht werden.

Schmalspur­variante ohne Bahn

Um die Europaabge­ordneten nicht zur Gänze abblitzen zu lassen, lancierte die Brüsseler Behörde allerdings eine Schmalspur­variante als Kompromiss­vorschlag: „Move2 Learn, Learn2Move“. Anlässlich des 30. Jahrestage­s der Gründung des Austauschp­rogramms Erasmus sollen 5000 bis 7000 junge Menschen die Möglichkei­t erhalten, im Rahmen des bestehende­n E-Twinning-Programms allein oder mit ihrer Schulklass­e ihre Partnerkla­sse in einem anderen EULand zu besuchen. Budgetiert wurden dafür 2,5 Millionen Euro. Die Reisen, die bis zu zwei Wochen dauern können, sollten den Vorgaben der EU-Kommission zufolge zwischen August 2017 und Dezember 2018 stattfinde­n – und sie müssen nicht unbedingt mit der Bahn gemacht werden. Zugelassen sind auch gechartert­e Busse und Pkw, wobei die Brüsseler Behörde eine Obergrenze für CO2-Emissionen vorgibt. (ag./la)

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[ ÖBB ] Pro Jahr werden europaweit rund 300.000 Interrail-Tickets verkauft.

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