Der faule Kredit als Kassenschlager
Finanz. Am schnellsten werden Banken notleidende Kredite los, wenn sie ganze Bündel an Fonds abstoßen. Das Geschäft boomt, besonders in Italien. Aber ist es auch volkswirtschaftlich sinnvoll?
Wien. Sie sind ein Klotz am Bein der europäischen Wirtschaft: Notleidende Kredite der Banken. Ist ihr Anteil zu hoch, können die Institute nicht genug Liquidität in die gesunden Unternehmen pumpen, was den ersehnten Aufschwung nach der langen Krise bremst. Über eine Billion Euro „faulen“in den Bilanzen vor sich hin. Der Anteil geht zwar langsam zurück, im letzten Jahr von 5,8 auf 5,1 Prozent. Aber viele Staaten im Süden und Osten Europas kämpfen weiterhin mit viel zu hohen Raten (siehe Grafik). Aufseher und Regierungen drängen zur Eile, säumige Schuldner flehen um Geduld. Was tun?
Von der breiten Öffentlichkeit kaum bemerkt, hat sich ein riesiger Markt entwickelt: Spezialisierte Investoren, meist aus den USA oder Großbritannien, kaufen den Banken ganze Bündel („Portfolios“) an faulen Krediten ab. Pro Jahr gehen Deals um rund 100 Mrd. Euro über die Bühne, Tendenz steigend. Groß im Geschäft sind Anlagegesellschaften wie Fortress, Oaktree oder Pimco, Private-Equity-Firmen wie Cerberus oder das Investmentbanking von Lloyds.
Die Idee an sich ist alt: Schon der Wechsel war eine Möglichkeit, mit einer Schuldforderung Handel zu treiben. Aber der blockweise Verkauf kam erst in der Asienkrise um die Jahrtausendwende in Mode. So richtig los ging es mit dem Ausbruch der Finanzkrise. Den Anfang machten die Banken in Irland und Großbritannien. „Sie suchten ganz aktiv nach Käufern“, erklärt Amo Chahal, der für Deloitte in London Käufer und Verkäufer von Kreditpaketen berät, im Gespräch mit der „Presse“.
Die Karawane zieht weiter
Die vergeblich vergebenen Gelder steckten in leeren Bürogebäuden oder todgeweihten Einkaufszentren. Weiter ging es in Spanien, wo taumelnde Banken erst einmal ihre unbesicherten Konsumkredite abstießen – was schnell geht, weil sie leicht zu bewerten sind. Erst später kamen dort die Bauruinen aus der geplatzten Immobilienblase dazu und schließlich die Firmenkredite. Sie sind großes Thema in Osteuropa, wo sich die Deals seit 2014 häufen.
Der Spät- und Senkrechtstarter ist Italien. „Die italienischen Banken brauchten lange, bis sie die Gefahr erkannten und Lösungen fanden“, sagt Chahal. Dafür schlossen sie dann im Vorjahr Transaktionen um 36 Mrd. Euro ab – mehr als in jedem anderen EULand (siehe Grafik). Allein der Marktführer Unicredit entledigte sich so von fast 21 Mrd. Euro an Krediten, das Gros aus dem Heimmarkt. Was das Geschäft in Italien besonders beflügelt: Ein staatlicher Fonds steuert Garantien bei.
In Rom ist man offenbar überzeugt, dass En-bloc-Kreditverkäufe der Volkswirtschaft nutzen. So sieht es auch Ben Trask, Experte zum Thema bei Deloitte in Wien: „Der Ertrag der Banken steigt, sie können sich leichter refinanzieren“und schließlich wieder zum Motor des Wachstums werden. Zudem seien Banken „nicht wirklich gut im Abwickeln von Problemkrediten“. Die Mitarbeiter der Fonds „arbeiten viel effizienter“und „mit mehr Nachdruck“– zumal sie oft am Erfolg beteiligt sind und Kapitalgeber im Nacken haben, sie sich „jedes Jahr zweistellige Renditen erwarten“. Schon deshalb machen sie lieber alles rasch zu Geld, statt auf eine bessere Gelegenheit im kommenden Jahr zu warten.
Wie aber steht es um die Schuldner? Geht es um Konsumkredite, profitieren meist auch sie. Hat zum Beispiel die Bank mit einem Abschlag von 80 Prozent an den Investor verkauft, kann dieser
sind ein Instrument, mit dem Banken ihren Anteil an notleidenden Krediten drücken. Jedes Jahr stoßen sie Pakete im Wert von rund 100 Mrd. Euro ab – an Anlagegesellschaften, Private-Equity-Firmen und Investmentbanken. Nach der Finanzkrise waren die wichtigsten Märkte Irland und Großbritannien, später Spanien, nun Italien. Das zeigen Experten von Deloitte auf. dem Kreditnehmer einen Abschlag von 75 Prozent anbieten – und macht immer noch einen saftigen Gewinn. So großzügig könnte die Bank selbst nie agieren. Denn bekommen ihre anderen Kunden davon Wind, würden auch aus den bisher laufend bedienten Krediten rasch notleidende.
Viel heikler ist es aber mit den Firmenkrediten. Denn hier bedeutet „effiziente“Abwicklung in aller Regel, dass ein marodes Unternehmen auch wirklich insolvent wird. Gut möglich also, dass Österreichs Banken in Osteuropa Kritik ernten, wenn sie Firmenkredite abstoßen – statt als sprichwörtlich gute Hausbank ihre Kunden geduldig durch die Krise zu begleiten.
„Zombies“scheitern lassen
Für Trask ist diese Sichtweise aber falsch: „Banken würden jeden überleben lassen“. Sie strecken Kredite und akzeptieren Mini-Zinsen, während die Schuldner Besserung heucheln. Diese Kultur habe in Südeuropa „Zombiefirmen“entstehen und das Problem mit den faulen Krediten erst mit ausgelöst. Die Zombies „steuern der Wirtschaft nichts bei“, halten aber „die Kapitalkosten, Preise und Löhne für alle zu hoch“. Eine gesunde Volkswirtschaft brauche daher ein „bestimmtes Ausmaß an Scheitern“– sie müsse einen „Wandel zulassen“, der zu neuen Initiativen „ermutigt“.