Die Presse

Der ungehörte Lockruf von Kroatiens Küste

Tourismus. Kroatiens Adria winken auch in diesem Sommer neue Besucherre­korde. Doch trotz nach wie vor hoher Arbeitslos­igkeit fehlen Köche, Kellner und Zimmermädc­hen. Der EU-Beitritt erschwert die Suche nach Saisonkräf­ten.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Zagreb. Schon in der Vorsaison klingelten bei Kroatiens Gastronome­n kräftig die Kassen. Und die Vorbuchung­en für den Sommer lassen die Adria-Herbergen von Rovinj bis Dubrovnik schon jetzt auf die Einstellun­g des Besucherre­kords des Jahres 2016 hoffen. Über 15 Millionen Touristen sorgten im Vorjahr für einen Rekordumsa­tz von zehn Milliarden Euro – fast 19 Prozent des Bruttosozi­alprodukts des wirtschaft­lich ansonsten eher gebeutelte­n EU-Neulings. „Kroatien wird zu einem ganzjährig­en Ferienziel“, freut sich Tourismus-Minister Gari Cappeli über 30 Prozent mehr Übernachtu­ngen in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres: „Kroatien zieht immer mehr Gäste auch außerhalb der Hauptsaiso­n an.“

20.000 Arbeitskrä­fte fehlen

Doch genau die bevorstehe­nde Sommersais­on ist es, die den Gastronome­n zunehmend Kopfzerbre­chen bereitet: Händeringe­nd, aber oft vergeblich suchen sie nach Köchen, Kellnern und Zimmermädc­hen. Auf 20.000 wird von der Branche die Zahl der noch unbesetzte­n Saisonarbe­itsstellen beziffert: Damit ist fast jeder siebente Posten in der Gastronomi­e trotz der hohen Jugendarbe­itslosigke­it von 27 Prozent noch vakant.

„Warum fehlt es an der Adria an Arbeitskra­ft?“, fragt sich die Wirtschaft­s-Online-Zeitung „pos- lovni.hr“. Als Hauptgrund für die jedes Jahr wachsende Zahl der Stellen, die nicht mehr besetzt werden können, macht Nina Garic Saganic, die Personalch­efin der Hotel-Kette „Jadranka-Gruppe“in Mali Losinj, die Folgen von Kroatiens EU-Beitritt von 2013 verantwort­lich: „Die besten Arbeitskrä­fte haben jetzt die Wahl – und können auch außerhalb Kroatiens arbeiten.“

Tatsächlic­h hat sich der Aderlass von Arbeitskrä­ften und Arbeitssuc­henden seit der vollständi­gen Öffnung des deutschen Arbeitsmar­kts für Kroaten im Som- mer 2015 spürbar beschleuni­gt. Selbst im ostkroatis­chen Slawonien, das für die Hotelburge­n und Restaurant­s an der Adria wegen der hohen Arbeitslos­igkeit lange als unerschöpf­liches Reservoir an Saisonarbe­itskräften galt, hat der anhaltende Gastarbeit­er-Exodus ins Ausland das Angebot für die Werber von der Küste merklich schwinden lassen.

Rückkehr der Serben

Auf der Jobmesse in Osijek habe er dieses Jahr vergeblich nach Kellnern und Tellerwäsc­hern gefahndet, klagt Peter Suric, Betreiber des Restaurant­s „Perin Dvor“in Nin in der Zeitung „Zadarski List“: „Vor allem gute Köche sind kaum mehr zu finden. Die besten haben das Land längst verlassen.“Kroatiens EU-Mitgliedsc­haft erschwert es den Gastronome­n auch, ihre ins

Tourismusi­ndustrie erwartet für heuer ein neues Rekordjahr. Allerdings gibt es einen Wermutstro­pfen: In den Küstenhote­ls fehlen 20.000 Arbeitskrä­fte. Denn seit dem EU-Beitritt arbeiten viele Kroaten selbst lieber im Ausland, wo sie mehr verdienen. Ausland abgewander­ten Stammkräft­e mit der Anwerbung von Saisonarbe­itern aus den ex-jugoslawis­chen Bruderstaa­ten im EU-Wartesaal zu ersetzen. Da Arbeitsgen­ehmigungen für Nicht-EU-Ausländer nur mühsam zu organisier­en sind, fahnden Hoteliers verstärkt nach Arbeitskrä­ften im benachbart­en Bosnien oder Serbien, die über die kroatische Staatsbürg­erschaft verfügen: Selbst Angehörige der 1995 zum Großteil vertrieben­en serbischen Minderheit sind zumindest als Saisonaush­ilfen in Kroatien wieder gefragt.

Tourismusj­obs nicht attraktiv

Nicht nur Sprachbarr­ieren sind bei der Anwerbung von Arbeitskrä­ften aus anderen EU-Mitglieder­n wie Rumänien oder Polen ein Hindernis: Die an der kroatische­n Adria gezahlten Löhne für Kellner können mit 500 bis 700 Euro netto nicht einmal mit denen für Erntehelfe­r in Deutschlan­d konkurrier­en. Arbeitslos­e Einheimisc­he wiederum sind immer weniger bereit, für eine nur auf wenige Monate begrenzte Beschäftig­ung monatelang ihre Familien alleine zu lassen. Doch selbst bei Arbeitslos­en an der Küste hat die keineswegs überdurchs­chnittlich bezahlte Saisonarbe­it an Anziehungs­kraft verloren. Sie suche eine ganzjährig­e und keine Saisonbesc­häftigung, sagte kürzlich auf der Jobmesse in Zadar die junge Familienmu­tter Maja: „Die Rechnungen flattern mir schließlic­h auch das ganze Jahr über ins Haus.“

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[ Reuters ] Dalmatinis­che Altstädte und Küsten werden auch heuer wieder tausende Mittelund Nordeuropä­er anziehen. Auch in Österreich ist Kroatien eines der beliebtest­en Urlaubszie­le.

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