Der ungehörte Lockruf von Kroatiens Küste
Tourismus. Kroatiens Adria winken auch in diesem Sommer neue Besucherrekorde. Doch trotz nach wie vor hoher Arbeitslosigkeit fehlen Köche, Kellner und Zimmermädchen. Der EU-Beitritt erschwert die Suche nach Saisonkräften.
Zagreb. Schon in der Vorsaison klingelten bei Kroatiens Gastronomen kräftig die Kassen. Und die Vorbuchungen für den Sommer lassen die Adria-Herbergen von Rovinj bis Dubrovnik schon jetzt auf die Einstellung des Besucherrekords des Jahres 2016 hoffen. Über 15 Millionen Touristen sorgten im Vorjahr für einen Rekordumsatz von zehn Milliarden Euro – fast 19 Prozent des Bruttosozialprodukts des wirtschaftlich ansonsten eher gebeutelten EU-Neulings. „Kroatien wird zu einem ganzjährigen Ferienziel“, freut sich Tourismus-Minister Gari Cappeli über 30 Prozent mehr Übernachtungen in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres: „Kroatien zieht immer mehr Gäste auch außerhalb der Hauptsaison an.“
20.000 Arbeitskräfte fehlen
Doch genau die bevorstehende Sommersaison ist es, die den Gastronomen zunehmend Kopfzerbrechen bereitet: Händeringend, aber oft vergeblich suchen sie nach Köchen, Kellnern und Zimmermädchen. Auf 20.000 wird von der Branche die Zahl der noch unbesetzten Saisonarbeitsstellen beziffert: Damit ist fast jeder siebente Posten in der Gastronomie trotz der hohen Jugendarbeitslosigkeit von 27 Prozent noch vakant.
„Warum fehlt es an der Adria an Arbeitskraft?“, fragt sich die Wirtschafts-Online-Zeitung „pos- lovni.hr“. Als Hauptgrund für die jedes Jahr wachsende Zahl der Stellen, die nicht mehr besetzt werden können, macht Nina Garic Saganic, die Personalchefin der Hotel-Kette „Jadranka-Gruppe“in Mali Losinj, die Folgen von Kroatiens EU-Beitritt von 2013 verantwortlich: „Die besten Arbeitskräfte haben jetzt die Wahl – und können auch außerhalb Kroatiens arbeiten.“
Tatsächlich hat sich der Aderlass von Arbeitskräften und Arbeitssuchenden seit der vollständigen Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für Kroaten im Som- mer 2015 spürbar beschleunigt. Selbst im ostkroatischen Slawonien, das für die Hotelburgen und Restaurants an der Adria wegen der hohen Arbeitslosigkeit lange als unerschöpfliches Reservoir an Saisonarbeitskräften galt, hat der anhaltende Gastarbeiter-Exodus ins Ausland das Angebot für die Werber von der Küste merklich schwinden lassen.
Rückkehr der Serben
Auf der Jobmesse in Osijek habe er dieses Jahr vergeblich nach Kellnern und Tellerwäschern gefahndet, klagt Peter Suric, Betreiber des Restaurants „Perin Dvor“in Nin in der Zeitung „Zadarski List“: „Vor allem gute Köche sind kaum mehr zu finden. Die besten haben das Land längst verlassen.“Kroatiens EU-Mitgliedschaft erschwert es den Gastronomen auch, ihre ins
Tourismusindustrie erwartet für heuer ein neues Rekordjahr. Allerdings gibt es einen Wermutstropfen: In den Küstenhotels fehlen 20.000 Arbeitskräfte. Denn seit dem EU-Beitritt arbeiten viele Kroaten selbst lieber im Ausland, wo sie mehr verdienen. Ausland abgewanderten Stammkräfte mit der Anwerbung von Saisonarbeitern aus den ex-jugoslawischen Bruderstaaten im EU-Wartesaal zu ersetzen. Da Arbeitsgenehmigungen für Nicht-EU-Ausländer nur mühsam zu organisieren sind, fahnden Hoteliers verstärkt nach Arbeitskräften im benachbarten Bosnien oder Serbien, die über die kroatische Staatsbürgerschaft verfügen: Selbst Angehörige der 1995 zum Großteil vertriebenen serbischen Minderheit sind zumindest als Saisonaushilfen in Kroatien wieder gefragt.
Tourismusjobs nicht attraktiv
Nicht nur Sprachbarrieren sind bei der Anwerbung von Arbeitskräften aus anderen EU-Mitgliedern wie Rumänien oder Polen ein Hindernis: Die an der kroatischen Adria gezahlten Löhne für Kellner können mit 500 bis 700 Euro netto nicht einmal mit denen für Erntehelfer in Deutschland konkurrieren. Arbeitslose Einheimische wiederum sind immer weniger bereit, für eine nur auf wenige Monate begrenzte Beschäftigung monatelang ihre Familien alleine zu lassen. Doch selbst bei Arbeitslosen an der Küste hat die keineswegs überdurchschnittlich bezahlte Saisonarbeit an Anziehungskraft verloren. Sie suche eine ganzjährige und keine Saisonbeschäftigung, sagte kürzlich auf der Jobmesse in Zadar die junge Familienmutter Maja: „Die Rechnungen flattern mir schließlich auch das ganze Jahr über ins Haus.“