Als die Arktis das letzte Mal ins Schwitzen kam
Klima. Die Region der Erde, die sich derzeit am stärksten erwärmt, hat dies in den 30er und 40er Jahren schon einmal getan. Damals gab es viel weniger Treibhausgase, der Effekt kam von natürlichen Klimaphänomenen.
Nirgendwo rast die Erwärmung voran wie in der Arktis, generell ist sie doppelt so hoch wie im Rests der Erde, letzten Herbst war die von Eis bedeckte Fläche so klein wie nie seit Beginn der Satellitenmessungen 1979, das bilanzierte die US-Behörde NOAA. Nun kommt aktueller Alarm vom National Snow and Ice Data Center: Regional hat das Eis schon so viel Wasser frei gegeben früher erst im Juli.
Das weckt Sorgen und Erfindungsgeist, Schlagzeilen sichert es auch: Durch die geisterte Mitte Mai, ausgerechnet der „Doomsday Vauld“sei bedroht: Das ist ein weltweiter Saatgut-Tresor, der 2006 in Permafrostboden von Spitzbergen getrieben wurde, um Reserven für alle Zeiten und Umstände einzulagern. Aber der Winter war so warm auf Spitzbergen, dass der Permafrost antaute und statt Schnee Regen fiel, beides ließ Wasser in den Tunneleingang gelangen. Das Saatgut blieb verschont, immerhin muss man umstellen: Der Tresor hätte ganz ohne menschliches Zutun funktionieren sollen, nun muss ein wenig abgepumpt werden.
Andere haben andere Visionen: Sie wollen die Arktis retten, indem sie im Winter großflächig Meerwasser auf das Eis pumpen und es so verdicken. Der Plan wurde nicht irgendwo entfaltet, sondern in einem Journal der US-Geologen (Earth’s Future 5, S. 107), er stützt sich darauf, dass man die Erwärmung zwei Faktoren zurechnet, den Treibhausgasen als Auslöser und dem weichenden Eis als Verstärker: Das frei werdende dunklere Wasser reflektiert weniger Sonnenlicht.
„Anstieg mit heute vergleichbar“
Aber vielleicht spielt mehr mit: Was sich derzeit in der Arktis abspielt, tat es in nicht ferner Vergangenheit schon einmal: „Im frühen 20. Jahrhundert sind die Temperauren über der Arktis rasch gestiegen, in Raten, die denen der letzten Jahrzehnte vergleichbar sind.“Daran erinnert Hiroki Tokinaga (Kyoto), er meint die 30er und 40er Jahre, er erwähnt auch, dass damals das Eis nicht wich – es war generell kühler – und die Konzentration der Treibhausgase viel geringer war.
Was wärmte dann? Es gibt viele Hypthesen, von stärkerer Aktivität der Sonne bis zu geringerer Aktivität von Vulkanen – weniger Abschattung durch ihre Aerosole –, Tokinaga hat eine neue: Sowohl hoch im Atlantik und Pazifik als auch tief im äquatorialen Pazifik schwanken die Meerestemperaturen in natürlichen Rhythmen. Das übersetzt sich in Großwetterlagen, die warme Winde in die Arktis steuern, vom äquatorialen Pazifik in den amerikanischen Teil, vom nördlichen Atlantik/Pazifik in den europäischen. Beides musste zusammen kommen, und beides kam zusammen, das zeigen Tokinagas Simulationen (Pnas 29. 5.). Allerdings verrät er nicht, wie die Rhythmen derzeit stehen.