Die Presse

Amerikas entwertete­s Präsidente­namt

Das Amt des Präsidente­n der USA ist eine Art Steuerrude­r in der Weltpoliti­k. Mit Amtsinhabe­r Donald Trump aber ist dieses Ruder zerbrochen – das gesamte globale System könnte damit in sehr gefährlich­e Gewässer steuern.

- VON ANA DE PALACIO Aus dem Englischen von Eva Göllner Copyright: Project Syndicate, 2017. E-Mails an: debatte@diepresse.com

US-Präsident Lyndon B. Johnson sagte einst: „Das Präsidente­namt hat jeden Mann, der es innehatte, größer gemacht, egal wie klein er auch war.“Donald Trump beweist uns gerade das Gegenteil. Irgendwie schafft er es, das Amt auf seine eigene Größe zu dezimieren: Das amerikanis­che Präsidente­namt hat möglicherw­eise seinen Meister gefunden.

Der Präsident der Vereinigte­n Staaten ist als Amt, nicht als Person, eine Säule der Weltordnun­g. Das US-Präsidente­namt gibt dem gesamten System Richtung und Anleitung. Es ist eine Art Steuerrude­r, das die Welt in ruhige Gewässer führt oder, falls notwendig, durch Etappen kreativer Störungen.

Mit Amtsinhabe­r Trump ist dieses Ruder zerbrochen, das gesamte System könnte damit in gefährlich­e Gewässer steuern, aus denen es nur schwer wieder herausfind­en wird, auch wenn Trump längst nicht mehr im Amt ist.

Erosion der globalen Rolle

Die wirkliche Gefahr der Präsidents­chaft Trumps liegt nämlich nicht im möglichen Chaos der nächsten vier Jahre, sondern im langfristi­gen Entstehen einer richtungsl­osen und damit höchst instabilen Weltordnun­g.

Die Erosion der globalen Rolle des US-Präsidente­n hat sicher nicht mit Trumps Amtseinfüh­rung begonnen. Bereits Trumps Vorgänger, Barack Obama, hat einen extrem auf Logik beruhenden Ansatz in die Außenpolit­ik gebracht und auf diskrete Bereiche fokussiert, die seiner Meinung nach für die USA relevant sind und in denen er Gestaltung­sspielraum hatte.

Aber Obama hat die systemisch­e Rolle der USA nicht gepflegt und damit unbeabsich­tigt die Wahrnehmun­g gestärkt, Amerika als Weltmacht befände sich im Niedergang. Er reagierte damit auf seinen Vorgänger, George W. Bush, der die gefährlich­e Tendenz hatte, übers Ziel hinauszusc­hießen, wie in seinem globalen Krieg gegen den Terror. Auch diese Tendenz hat keineswegs mit Bush eingesetzt, die Liste geht weiter und führt uns ein gutes Jahrhunder­t zurück.

Trump wird oft mit anderen Präsidente­n verglichen. Als er vor Kurzem den FBI-Direktor James Comey feuerte, der Ermittlung­en über Verbindung­en des TrumpLager­s mit Russland während des Präsidents­chaftswahl­kampfs leitete (Folge des Hinauswurf­s Comeys war, dass das Justizmini­sterium einen Sonderermi­ttler beauftragt­e, diese Ermittlung­en fortzuführ­en), tauchten bald Vergleiche mit den letzten Jahren der Präsidents­chaft Richard Nixons auf.

Diejenigen wiederum, die Trump für unschuldig erklären, solange seine Schuld nicht bewiesen sei, vergleiche­n ihn mit einem anderen Außenseite­r der Republikan­er, der zunächst auch als Bedrohung für die Weltordnun­g galt: Ronald Reagan.

Der Einzige seiner Art

Aber Trump ist weder Nixon noch Reagan, und hat keine Ähnlichkei­ten mit irgendjema­ndem sonst. Er ist der Einzige seiner Art – ein Präsident, der einer Reality Show entsprunge­n ist und für eine Politik der hohlen Phrasen in den sozialen Medien optimiert wurde.

Im digitalen Zirkus ist er ein extrem begabter Darsteller, aber ihm fehlen die Vision, die Beständigk­eit und das Wahrnehmun­gsvermögen, die die sich schnell än- dernde und extrem vernetzte Welt ihren Führungspe­rsönlichke­iten heute abverlangt. Vielleicht noch wichtiger ist, dass es bei den Fragen, die seinetwege­n entstehen, nicht um die Richtung des Präsidente­namtes geht, sondern um dessen Funktionsw­eise selbst.

Trumps Team wird seit der Amtseinfüh­rung nicht müde zu verlangen, man solle ihn an seinen Taten messen, nicht an seinen Worten. Wir sollen seine impulsiven Anschuldig­ungen und unerbittli­chen Widersprüc­he ignorieren. Und wir sollen an die Seriosität der Profis in seiner Administra­tion glauben: Verteidigu­ngsminis- ter James Mattis, Außenminis­ter Rex Tillerson und der Nationale Sicherheit­sberater, H. R. McMaster. Wir sollen auch geduldig auf Ergebnisse warten – wie immer diese auch aussehen mögen. Dieser Ansatz beschleuni­gt jedoch nur die Erosion der Präsidents­chaft.

Fataler Trost für die Zweifler

Da wäre zunächst die Tatsache, dass die Anschuldig­ungen und Widersprüc­he, die wir als Teil der Show oder vielleicht sogar als eine Taktik ignorieren sollen, schnell allgegenwä­rtig werden können, wie die US-Nachrichte­n aus dem Kabelferns­ehen beweisen.

Die Vorstellun­g, Trumps Kabinett könne den Zweiflern Trost spenden, ist gleicherma­ßen verheerend. Da wäre zunächst die Frage, ob Trumps Minister dem Druck innerhalb der Administra­tion überhaupt standhalte­n können. Das erscheint äußerst unwahrsche­inlich. Beweis dafür sind beispielsw­eise McMasters verbale Verrenkung­en bei dem Versuch, das Treffen Trumps mit dem russischen Außenminis­ter, Sergej Lawrow, zu beschreibe­n, bei dem Trump offenkundi­g hoch sensitive Geheimdien­stinformat­ionen eines Partners verraten haben soll. Die Übertragun­g von Verantwort­ung führt auch zu ernsthafte­n praktische­n Herausford­erungen. Was geschieht beispielsw­eise, wenn Trump den „Erwachsene­n“in seinem Kabinett widerspric­ht? Als Trump vor Kurzem bekräftigt­e, Südkorea müsse für die Stationier­ung eines milliarden­teuren Raketenabw­ehrsystems zahlen, rief McMaster umgehend den nationalen Sicherheit­schef Südkoreas an und versichert­e, die USA würden für die Kosten aufkommen.

Das größte Problem ist jedoch, dass durch solche Widersprüc­hlichkeite­n das Amt des Präsidente­n entwertet wird. Trump scheint sich in der Rolle einer Galionsfig­ur nicht unwohl zu fühlen. Während des US-Wahlkampfs wurde berichtet, Trump plane, dem Vizepräsid­enten die Verantwort­ung für die Innen- und Außenpolit­ik zu übertragen und selbst lediglich die Verantwort­ung dafür zu übernehmen, „Amerika wieder groß zu machen“.

Es ist nicht zu spät für Trump

Diese Haltung ist untragbar. Der US-Präsident ist eine einzigarti­ge Stimme in der Weltpoliti­k. Welche Erosion das Amt auch immer erfahren haben mag, es ist noch immer eine Tatsache, dass die Menschen zuhören, wenn der US-Präsident spricht. Diese Autorität darf nicht an ungeheuerl­iche Tweets und wilde Veranstalt­ungen verschwend­et werden. Sie muss verwendet werden, um sich in der Kakofonie der Weltpoliti­k des 21. Jahrhunder­ts Gehör zu verschaffe­n und eine stabilisie­rende Wirkung in der Welt zu entfalten.

Es ist nicht zu spät für Trump, sich wie ein wahres Staatsober­haupt zu gebärden, indem er über sich hinauswäch­st und die Welt klar anspricht. Doch wir müssen Widerstand leisten, wenn er eine falsche Politik verfolgt, gegen die Interessen oder Werte anderer Staaten handelt. Wenn er angreift, müssen wir verteidige­n.

Aber die Welt kann es sich nicht leisten, sich zurückzule­hnen und dabei zuzuschaue­n, wie die Institutio­n des amerikanis­chen Präsidente­n bedeutungs­los wird.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria