Amerikas entwertetes Präsidentenamt
Das Amt des Präsidenten der USA ist eine Art Steuerruder in der Weltpolitik. Mit Amtsinhaber Donald Trump aber ist dieses Ruder zerbrochen – das gesamte globale System könnte damit in sehr gefährliche Gewässer steuern.
US-Präsident Lyndon B. Johnson sagte einst: „Das Präsidentenamt hat jeden Mann, der es innehatte, größer gemacht, egal wie klein er auch war.“Donald Trump beweist uns gerade das Gegenteil. Irgendwie schafft er es, das Amt auf seine eigene Größe zu dezimieren: Das amerikanische Präsidentenamt hat möglicherweise seinen Meister gefunden.
Der Präsident der Vereinigten Staaten ist als Amt, nicht als Person, eine Säule der Weltordnung. Das US-Präsidentenamt gibt dem gesamten System Richtung und Anleitung. Es ist eine Art Steuerruder, das die Welt in ruhige Gewässer führt oder, falls notwendig, durch Etappen kreativer Störungen.
Mit Amtsinhaber Trump ist dieses Ruder zerbrochen, das gesamte System könnte damit in gefährliche Gewässer steuern, aus denen es nur schwer wieder herausfinden wird, auch wenn Trump längst nicht mehr im Amt ist.
Erosion der globalen Rolle
Die wirkliche Gefahr der Präsidentschaft Trumps liegt nämlich nicht im möglichen Chaos der nächsten vier Jahre, sondern im langfristigen Entstehen einer richtungslosen und damit höchst instabilen Weltordnung.
Die Erosion der globalen Rolle des US-Präsidenten hat sicher nicht mit Trumps Amtseinführung begonnen. Bereits Trumps Vorgänger, Barack Obama, hat einen extrem auf Logik beruhenden Ansatz in die Außenpolitik gebracht und auf diskrete Bereiche fokussiert, die seiner Meinung nach für die USA relevant sind und in denen er Gestaltungsspielraum hatte.
Aber Obama hat die systemische Rolle der USA nicht gepflegt und damit unbeabsichtigt die Wahrnehmung gestärkt, Amerika als Weltmacht befände sich im Niedergang. Er reagierte damit auf seinen Vorgänger, George W. Bush, der die gefährliche Tendenz hatte, übers Ziel hinauszuschießen, wie in seinem globalen Krieg gegen den Terror. Auch diese Tendenz hat keineswegs mit Bush eingesetzt, die Liste geht weiter und führt uns ein gutes Jahrhundert zurück.
Trump wird oft mit anderen Präsidenten verglichen. Als er vor Kurzem den FBI-Direktor James Comey feuerte, der Ermittlungen über Verbindungen des TrumpLagers mit Russland während des Präsidentschaftswahlkampfs leitete (Folge des Hinauswurfs Comeys war, dass das Justizministerium einen Sonderermittler beauftragte, diese Ermittlungen fortzuführen), tauchten bald Vergleiche mit den letzten Jahren der Präsidentschaft Richard Nixons auf.
Diejenigen wiederum, die Trump für unschuldig erklären, solange seine Schuld nicht bewiesen sei, vergleichen ihn mit einem anderen Außenseiter der Republikaner, der zunächst auch als Bedrohung für die Weltordnung galt: Ronald Reagan.
Der Einzige seiner Art
Aber Trump ist weder Nixon noch Reagan, und hat keine Ähnlichkeiten mit irgendjemandem sonst. Er ist der Einzige seiner Art – ein Präsident, der einer Reality Show entsprungen ist und für eine Politik der hohlen Phrasen in den sozialen Medien optimiert wurde.
Im digitalen Zirkus ist er ein extrem begabter Darsteller, aber ihm fehlen die Vision, die Beständigkeit und das Wahrnehmungsvermögen, die die sich schnell än- dernde und extrem vernetzte Welt ihren Führungspersönlichkeiten heute abverlangt. Vielleicht noch wichtiger ist, dass es bei den Fragen, die seinetwegen entstehen, nicht um die Richtung des Präsidentenamtes geht, sondern um dessen Funktionsweise selbst.
Trumps Team wird seit der Amtseinführung nicht müde zu verlangen, man solle ihn an seinen Taten messen, nicht an seinen Worten. Wir sollen seine impulsiven Anschuldigungen und unerbittlichen Widersprüche ignorieren. Und wir sollen an die Seriosität der Profis in seiner Administration glauben: Verteidigungsminis- ter James Mattis, Außenminister Rex Tillerson und der Nationale Sicherheitsberater, H. R. McMaster. Wir sollen auch geduldig auf Ergebnisse warten – wie immer diese auch aussehen mögen. Dieser Ansatz beschleunigt jedoch nur die Erosion der Präsidentschaft.
Fataler Trost für die Zweifler
Da wäre zunächst die Tatsache, dass die Anschuldigungen und Widersprüche, die wir als Teil der Show oder vielleicht sogar als eine Taktik ignorieren sollen, schnell allgegenwärtig werden können, wie die US-Nachrichten aus dem Kabelfernsehen beweisen.
Die Vorstellung, Trumps Kabinett könne den Zweiflern Trost spenden, ist gleichermaßen verheerend. Da wäre zunächst die Frage, ob Trumps Minister dem Druck innerhalb der Administration überhaupt standhalten können. Das erscheint äußerst unwahrscheinlich. Beweis dafür sind beispielsweise McMasters verbale Verrenkungen bei dem Versuch, das Treffen Trumps mit dem russischen Außenminister, Sergej Lawrow, zu beschreiben, bei dem Trump offenkundig hoch sensitive Geheimdienstinformationen eines Partners verraten haben soll. Die Übertragung von Verantwortung führt auch zu ernsthaften praktischen Herausforderungen. Was geschieht beispielsweise, wenn Trump den „Erwachsenen“in seinem Kabinett widerspricht? Als Trump vor Kurzem bekräftigte, Südkorea müsse für die Stationierung eines milliardenteuren Raketenabwehrsystems zahlen, rief McMaster umgehend den nationalen Sicherheitschef Südkoreas an und versicherte, die USA würden für die Kosten aufkommen.
Das größte Problem ist jedoch, dass durch solche Widersprüchlichkeiten das Amt des Präsidenten entwertet wird. Trump scheint sich in der Rolle einer Galionsfigur nicht unwohl zu fühlen. Während des US-Wahlkampfs wurde berichtet, Trump plane, dem Vizepräsidenten die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik zu übertragen und selbst lediglich die Verantwortung dafür zu übernehmen, „Amerika wieder groß zu machen“.
Es ist nicht zu spät für Trump
Diese Haltung ist untragbar. Der US-Präsident ist eine einzigartige Stimme in der Weltpolitik. Welche Erosion das Amt auch immer erfahren haben mag, es ist noch immer eine Tatsache, dass die Menschen zuhören, wenn der US-Präsident spricht. Diese Autorität darf nicht an ungeheuerliche Tweets und wilde Veranstaltungen verschwendet werden. Sie muss verwendet werden, um sich in der Kakofonie der Weltpolitik des 21. Jahrhunderts Gehör zu verschaffen und eine stabilisierende Wirkung in der Welt zu entfalten.
Es ist nicht zu spät für Trump, sich wie ein wahres Staatsoberhaupt zu gebärden, indem er über sich hinauswächst und die Welt klar anspricht. Doch wir müssen Widerstand leisten, wenn er eine falsche Politik verfolgt, gegen die Interessen oder Werte anderer Staaten handelt. Wenn er angreift, müssen wir verteidigen.
Aber die Welt kann es sich nicht leisten, sich zurückzulehnen und dabei zuzuschauen, wie die Institution des amerikanischen Präsidenten bedeutungslos wird.