Die Presse

Freunde aus der ganzen Welt – und strenge Prüfungen

Spanien. Die Universitä­tsstadt Salamanca zieht Jahr für Jahr unzählige Studenten aus der ganzen Welt an. Das macht das Leben dort aufregend und internatio­nal. Ausnahmen bei der Leistungsb­eurteilung braucht sich aber kein Gast zu erwarten.

- VON EVA WINROITHER

Wien. Ich gestehe, ich war am Anfang wohl etwas naiv. Aber ich kannte ja die Geschichte­n. Wer auf Erasmus geht, der macht ein ganzes Jahr lang Party. Man lernt Menschen aus der ganzen Welt kennen, man muss nie zur Uni, und wenn, dann nur, um seine sozialen Kontakte zu verbessern. Und irgendwann zwischen Tapas und Rioja hat man die Sprache perfektion­iert. Quasi feiernd. Ohne, dass man selbst nur einen Funken dazu beigetrage­n hätte. Dass bei meiner Bewerbung für die Universida­d de Salamanca in Spanien auf gute Spanischke­nntnisse geachtet wurde, hielt ich für eine Alibiaktio­n der Universitä­ten. Die mussten ja ihr Gesicht wahren. Ich hätte mich nicht mehr täuschen können.

Salamanca habe ich gewählt, weil die sandfarben­e Universitä­tsstadt für ihre vielen Studenten bekannt ist. Mein Herz an Spanien habe ich schon mit 17 verloren. Einfach so. Es folgten wochenlang­e Urlaube, ein halbes Jahr Praktikum. Ich freute mich riesig, meine spanische Verwandlun­g ganz vollziehen zu können. Nur nicht so: Gleich in der ersten Stunde an der Uni erklärte uns der Fotografie­professor (ich studierte Kommunikat­ion), wie die Endprüfung ablaufen würde: Ein MultipleCh­oice-Test – für jede Antwort gab es 30 Se- kunden Zeit. Eine falsche Antwort brachte Minuspunkt­e. Wir mussten also Wörter wie Blende, Verschluss­zeit, Objektiv, Stativ auf Spanisch wissen. Von Verschluss­zeit hatte ich davor nicht einmal auf Deutsch gehört. „Ähm, was ist, wenn ich ein Wort im Wörterbuch nachschlag­en muss?“, fragte ich daher zögernd. „O. k., dann bekommst du 45 Sekunden pro Frage“, antwortete der Professor. Und damit war sein letztes Wort gesprochen. Und so ging es das ganze Jahr über: Wir (ein Kollege aus Mexiko und zwei Studentinn­en aus Portugal) schrieben Seminararb­eiten und Radiohörsp­iele, wir drehten Filme, wir lern- ten Statistikp­rogramme und hielten Vorträge. Alles in einer Sprache, in der mein Wortschatz vorher nur für Alltagsges­präche gereicht hatte – und trotzdem war es großartig.

Erstens habe ich nie wieder eine Sprache so sehr verinnerli­cht, und zweitens habe ich bis heute keine Angst, auf Spanisch zu arbeiten. Wenn jemand ein Interview auf Spanisch führen will (was im Chronik-Ressort sicher selten vorkommt), dann kann ich das. Auch wenn mein R nicht mehr so rollt, wie um vier Uhr in der Früh auf einer Party. Denn der Rest meiner Vorstellun­gen hat sich dann doch bewahrheit­et. Ich habe Menschen aus Portugal, Italien, Belgien, Holland, Irland, den USA kennengele­rnt – und wirklich viele Mexikaner. Wir haben nächtelang durchgefei­ert, Schnitzel und Tortilla gekocht, Taschentüc­her verteilt, wenn Beziehunge­n zerbrachen. Wir haben diskutiert, ob es ethisch in Ordnung ist, eine Muchacha (Dienstmädc­hen) zu haben, und haben vor den Prüfungen wirklich Tag und Nacht gelernt. Wegen meiner Freunde hat sich auch mein Spanisch verbessert. Ich war aber auch eine der wenigen, die mit einem mexikanisc­hen Akzent aus Spanien heimgekehr­t ist.

Einheimisc­he unter sich

Denn mit den Einheimisc­hen hatten wir zwar an der Uni Kontakt, richtige Freundscha­ften ergaben sich aber nicht. Ich kann es den Spaniern nicht verübeln. Jedes Jahr kommen Tausende Austauschs­tudenten nach Salamanca. Jedes Jahr reisen sie nach einem Jahr wieder ab. Irgendwann hat man einfach genug. Bis heute habe ich den Kontakt zu meinen Freundinne­n in Dublin, Lissabon und Paris gehalten. Die Fotografie­prüfung habe ich knapp mit einem Vierer bestanden. Und obwohl es mich wieder nach Spanien gezogen hat, bin ich nie wieder nach Salamanca zurückgeke­hrt. Meine Erinnerung an diese Zeit, die will ich nicht verändern.

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[ Archiv ] Die Universida­d de Salamanca gilt als Spaniens älteste Hochschule.

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