Wirtschaftsrecht ohne Grenzen
Recht. Die grenzüberschreitenden Wirtschaftsaktivitäten nehmen zu. Entsprechend steigt der Bedarf an Experten, die mit den legistischen Gepflogenheiten anderer Länder vertraut sind.
Ungeachtet der vielerorts auszumachenden Tendenz zu verstärkter wirtschaftlicher Abschottung und mehr Protektionismus steht für Experten eines fest: Internationalisierung und Globalisierung werden weiterhin ein prägendes Thema sein, das auch Juristen vor vielfältige Herausforderungen stellt. Die Problematik: Das klassische Rechtsstudium kann diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Gefragt wären daher einschlägige vertiefende Programme, die die Teilnehmer mit jenen juristischen Kompetenzen ausstatten, die grenzüberschreitende, wirtschaftliche Aktivitäten erfordern.
Internationaler Handel wichtig
Siegfried Fina, Leiter des LL.M. Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht des Postgraduate Center der Universität Wien, glaubt nicht, dass die Bedeutung des internationalen Handels in Zukunft abnehmen wird – „auch wenn zuletzt viel über Protektionismus gesprochen wurde“. Vor allem für ein kleines Land wie Österreich sei nämlich der Export von Gütern und Dienstleistungen von grundlegender wirtschaftlicher Bedeutung. Auch für die USA gebe es keine Alternative zum grenzüberschreitenden Handel – vor allem mit der EU. Er verweist darauf, dass US-Unternehmen rund die Hälfte ihrer Auslandsgewinne in der EU erwirtschaften.
„Man darf nicht vergessen, dass sich die Ankündigungen von US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf und sein jetziges Verhalten nun zum Teil substanziell unterscheiden“, so Fina. Auch die Position gegenüber der EU sei mittlerweile viel positiver geworden. In die gleiche Kerbe schlägt Georg Kodek, Akademischer Leiter des Master of Business Law (MBL) der WU Executive Academy. „Vergleicht man die Aussagen Trumps im Wahlkampf mit jenen der letzten Wochen, so gewinnt man den Eindruck, dass nicht so heiß gegessen wie gekocht wird“, meint der Experte, der allerdings festhält, dass aktuell die Tendenz vielerorts in Richtung eines verstärkten Protektionismus zu gehen scheine.
Ziel des MBL sei es, Juristen auf die umfangreichen Aufgaben im Bereich des Wirtschaftsrechts und der Unternehmensführung vorzubereiten, so Kodek. Den Studierenden würden praxisrelevante Kenntnisse des österreichischen und europäischen Wirtschaftsrechts vermittelt, die das klassische Jusstudium nur teilweise abdecke. Auf dem Curriculum stehen unter anderem Module wie Steuerrecht, Wirtschaftsprivatrecht, Gesellschaftsrecht, Umgründungs- und Sanierungsrecht sowie Bank- und Kapitalmarktrecht. Im Modul Öffentliches Wirtschaftsrecht und Europarecht werden auch Grundlagen des Gemeinschaftsrechts, Kartellrecht sowie europäisches Wettbewerbsrecht vermittelt.
Der LL.M. Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht, der auf Deutsch und Englisch angeboten wird, ist laut Fina ebenfalls generalistisch angelegt. Neben den Kernmodulen zum EURechtssystem, EU-Binnenmarktrecht, EU-Wettbewerbsrecht und Welthandelsrecht würden unter anderem europäisches und internationales Arbeits-,S teuer -, Privat -, Zivilprozess-und Investitionsr echt sowie die internationale Wirt schafts schieds gerichtsbarkeit behandelt. „Im Mittelpunkt steht das international operierende Unternehmen und dessen Rechtsstellung im europäischen Binnenmarkt und im internationalen Wirtschaftsv er kehr “, soFina.
Die Uni Innsbruck bietet seit 2009 den postgradualen Lehrgang Business Law – Corporate and Contract Law an. Wie Innerhofer vom Institut für Zivilrecht erklärt, wurde das Programm gemeinsam mit Berufsvertretungen wieder Notariatskammer für Tirol und Vorarlberg entwickelt und soll Juristen mit rechtlicher Generalkompetenz, spezialisierter wirtschaftlicher Befähigung und Grundeinsichten in ökonomische Abläufe und Zusammenhänge ausbilden.
Zu den Pflichtmodulen im ersten Semester der zwei Jahre dauernden Weiterbildung zählen in Innsbruck Unternehmens- und Gesell schafts recht, Europarecht, Grundlagen des Wirt schafts rechts, Steuerrecht und Finanzstrafrecht sowie Rechnungswesen. Im zwei- ten bis vierten Semester steht dann unter anderem Wettbewerbsrecht auf dem Programm. „Wettbewerbsrecht – nicht nur nationales, sondern auch auf europäischer Ebene – ist ein sehr wichtiger Teil des Universitätslehrgangs“, sagt Innerhofer.
Blick auf tschechisches Recht
Im kommenden Herbst wird an der Donau Universität mit International Bus in essLaweinn euer englischsprachiger LL.M. anden Start gehen, der zu jeweils einem Drittel in Krems, an der Juristischen Fakultät in Olmütz sowie im Blended-Learning-Modus unterrichtet wird. Dabei soll unter anderem auf andere Rechtsordnungen sowie internationale Streitb et eiligungsmechanismen eingegangen werden. Aufgrund der Kooperation mit der tschechischen Universität werden sich die Studierenden unter anderem mit Vergleichen der Besonderheiten der österreichischen und der tschechischen Rechtsordnung befassen.