Die Presse

„Das Problem ist Spanien“

EU-Austritt. Auf Gibraltar reagiert die Bevölkerun­g wegen des Brexit ungehalten auf die EU und jegliche Zugeständn­isse an Spanien.

- VON KARL ETTINGER

Gibraltar. „Vertretung in Westminist­er“: Das halbe Dutzend Aktivisten steht an einem zentralen Platz an der Main Street von Gibraltar, der britischen Zone am Tor zwischen Mittelmeer und Atlantik. 6000 Unterschri­ften hat die Organisati­on loyaler britischer Bürger der rund 30.000 Einwohner zählenden Felseninse­l schon für eine Parlaments­vertretung gesammelt.

Vor mittlerwei­le mehr als 300 Jahren ist der wegen der rund 250 frei lebenden Affen bekannte Touristenm­agnet zum Königreich gekommen. Mit der Vertretung im Parlament in London soll klar signalisie­rt werden, man wolle „Hand in Hand mit Großbritan­nien“gehen. Dazu hätten sie als britische Bürger ein Recht, wird auf einem Flugblatt betont.

Bei den am Montag beginnende­n Verhandlun­gen der EU mit den Briten über den Brexit wird neben vielen anderen auch Gibraltar ein Thema sein. Zwischen den flanierend­en Besuchern, die einen Abstecher vom nahen spanischen Festland hierher machen, herrscht bei manchem Einheimisc­hen erhöhte Aufmerksam­keit zu möglichen Brexit-Folgen. Dies vor allem deshalb, weil EURatspräs­ident Donald Tusk Anfang April Spanien eine Art Einspruchs­recht in der Gibraltar-Frage eingeräumt hat. Das lässt aufgrund der bisherigen Haltung des benachbart­en EU-Mitgliedsl­andes im Norden bei einigen die Alarmglock­en schrillen. Wie bei Louis Baldashino: „Das Problem ist nicht der Brexit, sondern Spanien“, warnt er im Gespräch mit der „Presse“. Sein jüngerer Begleiter Duncan Grech pflichtet ihm bei. So hätte er es ebenfalls auf den Punkt gebracht.

„Das Problem ist die Grenze“

1982 nach dem Franco-Regime ist die Grenze aufgegange­n. Zwölf Millionen Touristen kommen nun pro Jahr auf den vom markanten 400-Meter-Felskoloss begrenzten Landstrich. In der Maine-Street locken abwechseln­d Juwelier-, Uhren- und Modegeschä­fte. Im schmalen „Just Diamonds“-Laden gibt sich die junge Angestellt­e, die täglich vom spanischen Festland einpendelt, freilich zugeknöpft bezüglich möglicher Brexit-Folgen. Große Sorgen wegen des Geschäfts habe sie nicht, sagt die Frau. Der Wachmann im Laden räumt jedoch knapp ein: „Das einzige Problem ist die Grenze.“

Bei der Aktivistin Isabella Caruna, die für die Westminste­r-Unterschri­ftenliste wirbt, klingt alles wesentlich emotionell­er. Gibraltar sei „keine Kolonie“, stellt sie mit ihrem Mitstreite­r John Carreras zu „Angriffen“der Spanier klar. Man sei seit 1704 britisch. Nachsatz: „Wir haben mehr Autonomie als Spanien. Die sind eine Kolonie von Brüssel.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria