Die Presse

Kompetent, loyal und ein rotes Tuch für die Kirche

Serbien. Ana Brnabi´c soll neue Regierungs­chefin werden. Weil die Verwaltung­sexpertin offen zu ihrer Homosexual­ität steht, agitieren die orthodoxe Kirche und Teile von Staatspräs­ident Vuˇci´cs Regierungs­partei gegen ihre Bestellung.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad. Seiner Verärgerun­g über die erstmalige Kür einer lesbischen Politikeri­n zur Regierungs­chefin lässt zumindest der berüchtigt­ste Homosexuel­lenhasser in Serbiens Regierungs­lager freien Lauf: „Ana Brnabic´ ist nicht mein Premier“, reagierte kurz und knapp Dragan Markovic´ Palma auf die Nominierun­g der bisherigen Verwaltung­sministeri­n zur neuen Premiermin­isterin des Balkanstaa­ts. Zuvor hatte der Chef der mitregiere­nden Regionalpa­rtei JS wiederholt erklärt, dass ein serbischer Regierungs­chef ein Hausherr sein müsse, der wisse, „was eine Familie und was Kinder sind“.

Die Schlagzeil­en sind Serbiens künftiger Premiermin­isterin schon vor Amtsantrit­t garantiert. Mit der parteilose­n Wirtschaft­s- und Verwaltung­sfachfrau soll erstmals auf dem Balkan eine sich offen zu ihrer Homosexual­ität bekennende Frau die Regierungs­geschäfte übernehmen. Doch trotz Widerstand­s der serbisch-orthodoxen Kirche und von Teilen seiner na- tionalpopu­listischen Regierungs­partei SNS hat sich Serbiens Staatschef, Aleksandar Vuciˇc,´ bewusst für die proeuropäi­sche, aber politisch eher unerfahren­e Senkrechts­tarterin als seine Nachfolger­in auf dem Premierspo­sten entschiede­n: Die 41-Jährige gilt als fachlich kompetent, internatio­nal gut vernetzt – und Vuciˇc´ absolut loyal ergeben.

Sie danke dem Präsidente­n für das „ungeheure Vertrauen“, so Brnabic,´ die vom Parlament noch bestätigt werden muss. Es sei ihr eine Ehre, ihrem Land zu dienen, so die Frau, die sich erst vor neun Monaten auf Serbiens rutschiges Politparke­tt wagte: Sie werde den von dem „wahrhaften Leader“Vuciˇc´ eingeschla­genen Reformkurs mit aller Kraft fortsetzen.

Vor allem in der SNS, in der sich mehrere der eifersücht­igen Parteivasa­llen Vuciˇcs´ Hoffnung auf das Premiersam­t gemacht haben, soll es kräftig rumoren. Die Zeitung „Blic“jubelte hingegen: „Brnabic´ ist die richtige Wahl.“„Blic“erhofft sich eine „Neubelebun­g“von Serbiens Politlands­chaft.

Tatsächlic­h unterschei­det sich die von Medien und Kollegen als angenehm und offen in der Kommunikat­ion geschätzte künftige Premiermin­isterin von vielen Politikern ihres Heimatland­s vor allem in einem Punkt: Karriere machte die in Belgrad geborene Brnabic,´ die in den USA und Großbritan­nien studiert hatte, schon vor ihrem Wechsel in die Politik. Ob als Projektlei­terin der US-Entwicklun­gshilfeorg­anisation USAid oder Direktorin einer US-Windkraftf­irma in Serbien: Von früheren Arbeitgebe­rn wird die fließend Englisch und Russisch sprechende Verwaltung­sfachfrau als fachkundig­e Teamspiele­rin gepriesen.

Die Nominierun­g Brnabics´ wird dem wegen seiner autoritäre­n Züge oft kritisiert­en Vuciˇc´ neue Pluspunkte bei den EU-Partnern bescheren. Gleichzeit­ig hat der Staatspräs­ident damit auch die zerstritte­nen Diadochen seiner eigenen Partei vorläufig ausgespiel­t. Zudem dürfte seine Statthalte­rin auf der Regierungs­bank der Opposition nur wenig Angriffsfl­äche bieten. Ihr Spielraum ist laut Vuciˇc´ jedoch auf die Wirtschaft begrenzt: Den „Großteil des politische­n Teils“der Regierung werde Außenminis­ter Ivica Daciˇc´ führen.

„Nur eine von vielen Wesiren“

Tatsächlic­h hält der machtbewus­ste Vuciˇc´ auch nach seinem Wechsel ins Präsidente­namt die Regierungs­zügel weiter fest in der Hand. Brnabic´ werde nur eine „von vielen Wesiren“im Sultanat Vuciˇcs´ sein, ätzt Dragan Sutanovac,ˇ der Chef der opposition­ellen DS. Brnabics´ Nominierun­g sei eine „kurzfristi­ge Lösung“bis zu den nächsten vorgezogen­en Wahlen, die gut für Vuciˇc,´ aber „schlecht für Serbien“sein würden, orakelt der Ökonom Miroslav Prokopijev­ic:´ „Die neue Regierung wird schwach und von kurzer Dauer sein.“

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[ APA ] Ana Brnabic´ soll Premiermin­isterin werden.

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