US-Student erlitt in Lagerhaft Gehirnschäden
Nordkorea. Der nun vom KP-Regime freigelassene Amerikaner Otto Warmbier liegt im Koma. Ärzte vermuten, dass er sich in der Gefangenschaft eine Vergiftung zugezogen hat.
Peking. 17 Monate verbrachte Otto Warmbier in nordkoreanischer Gefangenschaft. Der US-Student war zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt worden. Entsprechend groß war die Freude, als seine Eltern im USBundesstaat Ohio erfuhren, dass ihr 22-jähriger Sohn freigelassen und ausgeflogen werde. Doch als US-Diplomaten sie über seinen Gesundheitszustand informierten und sie ihn am Dienstagabend in Empfang nahmen, war der Schock groß. Er konnte seine Augen öffnen und blinzeln. Sonst aber reagierte er weder auf Sprache noch auf sonstige Reize. Offenbar liegt er seit mehr als einem Jahr im Koma.
Nach gründlicher Untersuchung kamen seine Ärzte zu dem Ergebnis, dass der Student großflächige Schäden am Hirngewebe erlitten hat – und zwar in so ziemlichen sämtlichen Bereichen. Er befinde sich in einem „Zustand von reaktionsloser Wachheit“, sagte der leitende Arzt, Daniel Kanter. Hinweise auf schwere körperliche Misshandlung konnte er nicht bestätigen. Ein US-Beamter hatte zu- vor die Vermutung geäußert, dass Warmbier während der Haft schwer misshandelt worden sei.
Nordkoreanische Regierungsvertreter hatten vergangene Woche zugegeben, dass der 22-Jährige im Koma liege. Sie stellten den Fall so dar, dass ihr Häftling kurz nach seiner Verurteilung im März 2016 an einer Nahrungsmittelvergiftung erkrankte. Wärter hätten ihm eine Schlaftablette gegeben, woraufhin er das Bewusstsein verloren habe und nicht mehr aufgewacht sei.
Vorwurf: „Feindlicher Akt“
Beamte hatten Warmbier im Jänner 2016 auf dem Flughafen von Pjöngjang bei der versuchten Ausreise verhaftet, nachdem er das Land für fünf Tage besucht hatte. Die nordkoreanischen Behörden warfen ihm einen „feindlichen Akt“vor, weil er angeblich in einem Hotel versucht hatte, ein Propagandaplakat zu stehlen. Ein Volksgericht verurteilte den Amerikaner zu 15 Jahren Zwangsarbeit. Die Gerichtsverhandlung im März 2016 war das letzte Mal, dass er öffentlich aufgetreten war. „Bitte rettet mein Leben“, soll er schwedischen Diplomaten zufolge gefleht haben, bevor nordkoreanische Beamte ihn abführten. Die USA selbst unterhalten mit Nordkorea keine diplomatischen Beziehungen. Deswegen nehmen schwedische Vertreter die Interessen in Pjöngjang wahr.
Experten halten die Version der Nordkoreaner durchaus für realistisch, glauben aber, dass sie nicht mit der ganzen Wahrheit herausrücken. Sie vermuten, dass Warmbier an Botulismus erkrankt war, im Volksmund bekannt als Fleischoder Wurstvergiftung. Meist wird diese lebensbedrohliche Vergiftung durch ein bestimmtes Bakterium in verdorbenem Fleisch oder vergammeltem Gemüse hervorgerufen. Dann hilft nur ein spezielles Gegengift. Sollte sich herausstellen, dass Warmbier daran erkrankt war, hätten die nordkoreanischen Behörden ihm auf keinen Fall ein Schlafmittel geben dürfen.
Der Freilassung Warmbiers Anfang der Woche gingen offenbar geheime Gespräche zwischen nordkoreanischen und US-Regierungsvertretern voraus. Es soll sich um den ersten direkten Kontakt zwischen Nordkorea und der US-Regierung gehandelt haben, seitdem Donald Trump Präsident ist.