Die Presse

Erdo˘gan geht mit USA auf Konfrontat­ionskurs

USA/Türkei. Nach einem Haftbefehl gegen Leibwächte­r des türkischen Präsidente­n zitierte Ankara US-Botschafte­r ins Außenamt.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE GÜSTEN

Istanbul. Ähnlich wie im Verhältnis der Türkei zur EU schlittern auch die Beziehunge­n Ankaras zum westlichen Hauptverbü­ndeten USA von einer Krise in die nächste. Und jede Verstimmun­g ist dazu angetan, die Spannungen zu verschärfe­n. Nach der Bekanntgab­e von US-Haftbefehl­en gegen Leibwächte­r von Präsident Recep Tayyip Erdogan,˘ die bei einem Besuch in Washington Mitte Mai eine Gruppe von Demonstran­ten verprügelt hatten, ließ die Türkei jetzt den US-Botschafte­r in Ankara einbestell­en.

Videos von der Schlägerei hatten in den USA große Empörung ausgelöst. Die Haftbefehl­e gegen die in die Türkei heimgekehr­ten Leibwächte­r sind weitgehend symbolisch, markieren aber einen neuen Tiefpunkt in den Beziehunge­n. Das türkische Außenamt nannte den Schritt inakzeptab­el. Ankara gibt der US-Polizei die Schuld an der Schlägerei, weil sie beim Schutz der türkischen Residenz versagt habe.

Isolation Ankaras

Auch Erdogan˘ reagierte mit Unverständ­nis auf die Haftbefehl­e: „Was ist denn das für ein Gesetz?“, fragte er. Seine Regierung werde weiter mit rechtliche­n und politische­n Mitteln für die eigene Position in diesem Streit kämpfen. Das aggressive Vorgehen der Personensc­hützer hat das Bild der Türkei in den USA erheblich verschlech­tert. In Zeitungsko­mmentaren wurde Erdogan˘ aufgeforde­rt, sich nicht mehr in den USA blicken zu lassen.

Mit der EU, die das harte Vorgehen der türkischen Regierung gegen die Opposition kritisiert, liegt der Präsident schon seit Monaten im Clinch. Nun kommt der Krach mit den USA hinzu, die seit Jahrzehnte­n der wichtigste politi- sche Partner Ankaras sind. Die Türkei isoliert sich immer mehr, doch Erdogan˘ sieht keinen Grund zum Umlenken.

Erdogan˘ wirft den USA vor, in Syrien „kurdischen Terroriste­n“zur Seite zu stehen. Washington unterstütz­t die syrische Kurdenmili­z YPG im Kampf gegen den sogenannte­n Islamische­n Staat (IS). Ankara sieht in den YPG die Vertreter der verbotenen Arbeiterpa­rtei Kurdistans (PKK). Er habe die US-Regierung nicht von der Zusammenar­beit mit den YPG abbringen können, klagte der türkische Präsident.

Drohungen Erdogans˘

Deshalb warnte Erdogan˘ die USA: Notfalls „werden wir das Nötige tun, und zwar ohne uns vorher mit irgendjema­ndem abzusprech­en“. Da US-Soldaten und kurdische Kämpfer im Norden Syriens gemeinsam vorgehen, könnten türkische Gegenschlä­ge auch für US-Soldaten gefährlich werden. Schon in den vergangene­n Wochen waren türkische Luftangrif­fe im Nordosten Syriens US-Truppen gefährlich nahe gekommen. In einer Rede in Ankara deutete Erdogan˘ neue türkische Militärakt­ionen in Syrien an. Er erinnerte an die türkische Truppenent­sendung ins Nachbarlan­d und sagte, die Türkei werde ab sofort „Probleme direkt an der Quelle bekämpfen“.

Ein Streit schwelt auch im Fall Katar. Erdogan˘ unterstütz­t das Emirat im Konflikt mit Saudiarabi­en und den anderen Golf-Monarchien. US-Präsident Trump schlug sich auf die Seite der Saudis. Erdogan˘ ist besorgt, dass die Türkei wegen der Hilfe für die Muslimbrüd­er unter Druck geraten könnte. Laut Medienberi­chten fordert der ägyptische Staatschef, Abdel Fatah al-Sisi, ein enger Partner der Saudis, die Boykottmaß­nahmen der Golf-Araber gegen Katar auf die Türkei auszuweite­n.

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