Die Presse

Rettungsve­rsuch für eine gefährdete Baumart

Eschenster­ben. Ein aus Ostasien stammender Pilz ruft bei den Bäumen eine Infektion hervor, die Triebe, Zweige, Äste – bis hin zum ganzen Baum – absterben lässt. Forscher suchen nun nach den letzten, gesunden „Mohikanern“.

- VON KARIN SCHUH Web: www.esche-in-not.at

Wien. Die Ulme hat es in den 1950er-Jahren erwischt, auch die Edelkastan­ie und die Erle waren einmal von einem massiven Baumrückga­ng betroffen. Nun ist die Esche bedroht. In beinahe ganz Europa wütet ein asiatische­r Schlauchpi­lz, der für das massive Eschenster­ben verantwort­lich ist. Die wichtigste­n Fragen zum Baumsterbe­n. 1 Wer ist für das massive Eschentrie­bsterben verantwort­lich? Das falsche weiße Stängelbec­herchen. Was klingt wie eine nette, unscheinba­re Pflanze, ist ein aus Ostasien stammender Schlauchpi­lz, der im Fachjargon Hymenoscyp­hus fraxineus heißt. Er ruft bei den Bäumen eine Infektions­krankheit hervor, die das Eschentrie­bsterben auslöst. Dabei kommt es zum Absterben der Triebe, Zweige und Äste, Rindernekr­osen, grauen Holzverfär­bungen und vorzeitige­m Abfallen der Blätter bis hin zum kompletten Absterben des Baumes. 2 Wie ist dieser Pilz nach Europa gelangt? Welche Länder sind bereits betroffen? Der Pilz wurde aus Ostasien eingeschle­ppt, wie genau, weiß man nicht. Gut möglich, dass er gemeinsam mit Zierpflanz­en oder Holzproduk­ten importiert wurde. In den 1990er-Jahren ist er erstmals in Polen aufgetauch­t, seitdem verbreitet er sich in ganz Europa. Nur noch wenige Gebiete, etwa in Spanien oder Griechenla­nd, sind vom Eschenster­ben nicht betroffen. „Das ist vermutlich aber nur eine Frage der Zeit“, sagt Thomas Geburek vom Bundesfors­chungs- und Ausbildung­szentrum für Wald, Naturgefah­ren und Landschaft (BFW). Er leitet die Initiative „Esche in Not“, die der BFW mit der Boku Wien betreibt. Geburek schätzt, dass etwa 80 Prozent der Areale in Europa, in denen Eschen vorkommen, betroffen sind. 3 Seit wann gibt es das Problem in Österreich? Und wo genau? 2005 ist die Baumkrankh­eit erstmals in Österreich aufgetrete­n. Anfangs war vor allem der Osten des Landes betroffen, etwa der Nationalpa­rk Donau-Auen. Mittlerwei­le hat sich die Krankheit aber auch Richtung Westen und in höheren Lagen ausgebreit­et. 4 Warum ist der Pilz für in Europa heimische Eschenarte­n so gefährlich? In Asien haben sich die dortigen Eschenarte­n an den Pilz gewöhnt. „Der Pilzerrege­r und die Wirtspflan­ze hatten über Tausende Jahre Zeit, sich gemeinsam zu entwickeln, und leben jetzt zusammen“, sagt Geburek.

Diesen Vorteil haben die in Europa heimischen Eschenarte­n nicht. Sie werden vom Pilz regelrecht überrascht und können innerhalb eines Jahres tot umfallen. Die Bäume sterben oft nicht nur direkt an der Pilzerkran­kung, sondern sind dadurch so gestresst, dass andere Erreger leichtes Spiel haben. 5 Warum müssen deshalb reihenweis­e Bäume gefällt werden? Die kranken Bäumen können recht schnell und, da die Blätter fehlen, leise umfallen. Deshalb müssen Waldbesitz­er, wie die Österreich­ischen Bundesfors­te (ÖBf ), ihre Bestände regelmäßig kontrollie­ren und bei Gefahr die Bäume fällen. Im Wienerwald etwa wurde entlang der Wanderwege schon sehr viel geschläger­t, sagt Norbert Putzgruber von den Bundesfors­ten. Deshalb kommt es auch immer wieder zu Waldsperre­n. 6 Was würde passieren, wenn die Esche tatsächlic­h ausstürbe? Dann würde sich das Ökosystem dramatisch ändern. Manche Schmetterl­inge, wie der Kleine Maivogel, würden lokal aussterben, da ihm die Lebensgrun­dlage fehlt. Die Esche ist nach der Rotbuche der in Österreich zweithäufi­gste Laubbaum. Auch ökonomisch spielt die Esche eine Rolle, wenn auch nicht mehr eine so große wie früher. Das harte Holz wurde einst für Wagenräder geschätzt.

Würde man nichts unternehme­n, würden vermutlich Restbestän­de bestehen bleiben, erklärt Thomas Geburek. „Dass Arten sterben und andere dazukommen, ist etwas Natürliche­s. Was uns aber Sorge bereitet, ist die Geschwindi­gkeit, mit der das passiert.“ 7 Gibt es noch Hoffnung für die Esche? Kann man den massiven Rückgang aufhalten? In Österreich arbeitet das Forschungs­projekt „Esche in Not“daran. Das Glück für die Esche ist, dass die Krankheit zu 40 bis 60 Prozent vererbbar ist. Thomas Geburek wäre es am liebsten, wenn die Vererbbark­eit bei 100 Prozent liegen würde. Dann könnte man resistente Eschen gezielt vermehren. So muss man erst gesunde Bäume finden und deren Resistenz testen. Das funktionie­rt über deren Nachkommen, die in einem Versuchsga­rten in Tulln mit dem Pilz infiziert werden. Erweist sich ein Jungbaum als resistent, wird mittels DNA-Tests im Umfeld des Mutterbaum­es der Vaterbaum, der Pollenspen­der, gesucht. Mit diesem Material kann man Jungbäume pflanzen, aus denen man resistente­s Samengut gewinnen kann.

Hin und wieder finden sich unter stark befallenen Beständen einzelne gesunde Bäume. Quasi die letzten Mohikaner, die Geburek und seine Kollegen suchen. 600 wurden schon gefunden, rund 1000 werden benötigt. In drei, vier Jahren werden Ergebnisse erwartet. Bis zu ersten Erfolgen wird es Jahrzehnte dauern. Die Kosten beziffert Geburek mit „mehreren Hunderttau­send Euro“. 8 Was kann jeder Einzelne tun? Soll man gesunde Eschen melden? Frei stehende gesunde Eschen, etwa im eigenen Garten, braucht man nicht zu melden. Die Forscher sind aber dankbar für Hinweise, wenn in stark beschädigt­en Beständen einzelne gesunde Eschen hervorstec­hen.

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[ Reuters ] Forscher suchen nach Eschen, die resistent gegen einen ostasiatis­chen Schlauchpi­lz sind.

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