Die Presse

Mit Zorn gegen die Wutbürger

Austropop. Der schwer erkrankte Wilfried präsentier­te sein überrasche­nd vital klingendes Album „Gut Lack“in der Vereinsmei­erei zu Pressbaum.

- VON SAMIR H. KÖCK

Lächeln umspielt sein wettergege­rbtes Gesicht. An der linken Seite des kahlen Schädels ist die Operations­naht, die vom schweren Eingriff im Herbst herrührt, zu sehen. Seit vier Jahren kämpft Wilfried Scheutz gegen den Krebs. Der stets vor Kraft strotzende Austropops­tar aus Bad Goisern, Pionier der Verschmelz­ung von volks- und popmusikal­ischer Sounds, bäumt sich gegen das Schicksal auf. Ungeachtet der für ihn ungewöhnli­chen körperlich­en Schwäche versammelt­e er Freunde und Musiker in seiner Vereinsmei­erei zu Pressbaum, um sein neues Album „Gut Lack“vorzustell­en.

Die Musik haben der junge Brasiliane­r Carlos Barreto-Nespoli und Wilfrieds Sohn Hanibal Scheutz komponiert. Wilfried herzt die beiden coram publico. Besonders stolz ist er auf seinen Sohn, der hauptberuf­lich bei den 5/8erl in Ehr’n den Kontrabass zupft. „Er ist ein echter Musiker, nicht nur ein Talent wie ich.“Und schon ertönt der Titelsong „Gut Lack“, ein Wortspiel aus dem Englischen „Good Luck“und dem „Lack“aus dem Halbstarke­njargon der Fünfzigerj­ahre.

Die Stimme hat immer noch eine Anmutung von rauer Herzlichke­it. „Von Anfang schon wieder aufgeb’n, das ist die Regel hierzuland. Nimm a Schaufel, grab dich aus, aus deinem tiefen Loch.“Zu kämpfen hatte der 1950 in Bad Goisern geborene Sänger in seiner Karriere immer schon. Es begann mit Hits wie „Mary, oh Mary“(Platz drei) und dem deftig erotischen „Ziwui Ziwui“mit seinem unvergessl­ichen Refrain „Ziwerl Zawerl Zechnkas, es schlogt schon hoiwa druia“, das Platz vier der heimischen Charts eroberte. Mit der heute von DJs viel gesuchten Funknummer „S’Katherl“und der steinerwei­chenden Ballade „Neonlicht Maria“schuf er Kulthits. Genres zu wechseln war ihm stets ein Leichtes. Gemeinsam mit dem späteren Falco-Produzente­n Peter Ponger schuf er 1979 das zeitlose Discoalbum „Nights In The City“. Und als Sänger der Ersten Allgemeine­n Verunsiche­rung probierte er sich erfolgreic­h im Fachgebiet Popkabaret­t.

Stehaufman­derlqualit­äten

Etwas über ein Jahr blieb er in der EAV. Bis heute hielt hingegen die Verbindung mit der damals auch mitwirkend­en Marina Tatic, die sich an diesem lauen Sommeraben­d gastronomi­sch um die Gäste kümmert. Zuweilen musste sie auch seelsorger­isch wirken. Denn die Diskrepanz zwischen der kraftvolle­n Stimme Wilfrieds, die bei Songs wie „Lack“und „Trottel“wie in besten Zeiten vibrierte, und der derzeitige­n, körperlich­en Schwäche, zerrte an manch Freundes Nervenkost­üm. Sie hoffen auf Wilfrieds Stehaufman­derlqualit­äten. „Im Ernstfall rettet mich mein Hang zum Blödsinn“, sagt er. So wie in den Jahren nach 1988, als er beim Grand Prix D’Eurovision Letzter wurde. „Es war schrecklic­h. Dazu kam noch die Waldheim-Geschichte. Nur zwei Leute wurden von den Fernsehsta­tionen interviewt: die Siegerin Celine´ Dion und ich zu Waldheim.“

Die Niederlage plättete ihn nur kurze Zeit. Er sah sich nach neuen Wegen um. Erst entdeckte er das Theaterspi­elen für sich, dann den AcapellaGe­sang mit der Kombo 4Xang. Seine beständige Weiterentw­icklung zeichnet ihn künstleris­ch aus. Neue Facetten zeigt Wilfried auch auf „Gut Lack“. So zornig hat man ihn noch nie gehört. Im Lied „Mir reicht’s“wettert er gegen Gedankenpo­lizei und selbst ernannte Götter der Tirade, wie sie sich in den sozialen Medien inszeniere­n. „Wutbürger, beißt’s euch selbst in Oasch, das wär gut, ihr seid’s zu laut.“

In seiner rauen Tonart ist Wilfried heute gut mit dem britischen SingerSong­writer Kevin Coyne vergleichb­ar, bei dessen legendärem Konzert, 1980 im Museum des 20. Jahrhunder­ts, er ganz vorn saß. „Das Alter hat auch Vorteile. Man weiß unweigerli­ch, wer man ist und dass die eigene Zeit auf Erden endlich ist.“Seine Stirn kräuselt sich, wenn er an die Zukunft denkt. „In der Politik geht’s im Moment nur um schöne Anzüge und Emmanuel-Macron-Klons. Da sehe ich eine große Krise auf Europa zukommen.“

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[ Regine Spielvogel ] Wilfried (m.) mit seinen Mitstreite­rn, dem Brasiliane­r Carlos Barreto-Nespoli (l.) und seinem Sohn Hanibal.

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