Die Presse

Wie die Eurogruppe in Griechenla­nd den Konkurs verschlepp­t

Und wieder fließen 8,5 Milliarden in den Süden, ohne dass Griechenla­nd damit wirklich geholfen wird.

- Josef.urschitz@diepresse.com

G riechenlan­d ist also wieder einmal „gerettet“: Die Eurogruppe und der IWF haben einen Kompromiss ausgeschna­pst, der der Regierung Tsipras ein wenig Luft verschafft. 8,5 Mrd. Euro werden nach Athen überwiesen. Der überwiegen­de Teil wird dazu verwendet, im Sommer auslaufend­e Darlehen zu günstigere­n Konditione­n umzuschuld­en. Griechenla­nd droht also nicht mehr der unmittelba­re Staatsbank­rott.

Und weiter? Ist jetzt irgendetwa­s gewonnen? Ist Griechenla­nd dauerhaft saniert? Natürlich nicht. Die Euroländer stecken nur wieder 8,5 Mrd. Euro hinein, ohne dass sich an der Schuldenla­st des Landes viel ändert.

Wir haben es also mit einer völlig verkorkste­n, teuren und unwirksame­n Scheinsani­erung zu tun. Natürlich wissen das die Euro-Finanzmini­ster auch. Aber sie können wohl nicht anders: Irgendwo in der Eurozone stehen immer Wahlen vor der Tür. Und Griechenla­nd-Hilfen bieten immer schöne Angriffsfl­ächen für populistis­che Aktionen. Zumal ja der Maastricht-Vertrag eine Nichtbeist­andsklause­l enthält, in deren Rahmen schon die aktuellen Hilfskredi­te problemati­sch sind. Dass dieser Vertrag auch von Ländern wie Österreich und Deutschlan­d ebenso regelmäßig wie konsequenz­enlos gebrochen wird (in Summe bisher mehr als 200 Mal), spielt da keine Rolle.

Dabei ist die Sache ganz einfach: Griechenla­nd erwirtscha­ftet seit mehreren Jahren einen Primärüber­schuss, erzielt also sozusagen ein positives operatives Ergebnis. Primärüber­schuss heißt, dass die laufenden Staatsausg­aben niedriger sind als die Einnahmen. 2016 lag dieser Überschuss bei 4,4 Mrd. Euro. Bezogen auf das BIP hat Griechenla­nd also einen deutlich höheren Überschuss erzielt als etwa Österreich.

Der springende Punkt: Im Primärüber­schuss sind die Zins- und Tilgungsza­hlungen für die Staatsschu­ld nicht enthalten. Bezahlt werden müssen sie aber trotzdem. Und da wird Griechenla­nd von seiner abenteuerl­ichen Schuldenla­st aus vergangene­n Tagen erdrückt. Zwar ist (nach langen Jahren mit hohen Budgetdefi­ziten) im Vorjahr sogar (wieder im Gegensatz zu Österreich) auch im Maastricht­Budget ein kleiner Überschuss geblieben, für den Schuldenab­bau reicht das aber nicht. Und der internatio­nale Kapitalmar­kt, auf dem die übrigen EU-Staaten die Rückzahlun­g ihrer fälligen Anleihesch­ulden refinanzie­ren, steht den Griechen derzeit ja aus gutem Grund nicht offen. G erät ein Unternehme­n in eine solche Situation, dann werden die Gläubiger (vor allem dann, wenn der Betrieb operativ schwarze Zahlen schreibt und „nur“von den Altschulde­n erdrückt wird) versuchen, im Rahmen eines ordentlich­en Sanierungs­verfahrens diese Schuldenla­st herunterzu­bekommen. Das heißt normalerwe­ise Forderungs­verzicht.

Das ist natürlich wirtschaft­lich gedacht und blendet politische Motive aus. Aber eine andere Alternativ­e zur ungeregelt­en Staatsplei­te gibt es auch in Griechenla­nd nicht. Der IWF scheint das gecheckt zu haben. Die Eurogruppe zögert noch und macht erst vage Andeutunge­n für später. Sie geht also noch den teuersten Weg: Die Konkursver­schleppung bis St. Nimmerlein. Zumindest aber bis nach den deutschen Wahlen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria