Wie der Gesetzgeber Firmen sekkiert
Recht. Werden Unternehmer vom Staat gepiesackt? Ein Fall nahe Graz lässt dies vermuten. Es geht um Mitarbeiterbeteiligung, die nachträglich kostet. Die geplante Gesetzesnovelle kommt zu spät.
Wien. Empörung ist nicht das richtige Wort, um Josef Keuschniggs Gemütszustand zu beschreiben, wenn er auf den Wirtschaftsstandort Österreich zu sprechen kommt. Frust kommt schon eher hin. Gemischt mit dem enervierenden Ohnmachtsgefühl dessen, der in der Überzeugung, korrekt und legal gehandelt zu haben, bisher kein Gehör bei den Behörden zu finden vermag. Und ob der Verwerfungen auch noch verunsicherte Mitarbeiter in seinem oststeirischen Betrieb PM Technologies, einem Systemanbieter für die Zement- und Mineralienindustrie, hat. Und das alles seit über drei Jahren. Schließlich geht es ums Geld. Konkret um den Umgang des Gesetzgebers, und in weiterer Folge des Finanzamtes, mit Mitarbeiterbeteiligungen.
Talfahrt und Spitzenjahr
Aber wie ist es so weit gekommen, nachdem das 1995 gegründete Unternehmen fast zwei Jahrzehnte lang jegliche Prüfung durch die Steuerbehörde ohne Beanstandung absolviert hatte? Das Problem begann eigentlich mit der Finanzkrise 2008. Wie viele andere Branchen begann auch die Zementindustrie, ihre Investitionen zu stoppen. Die Aufträge auf dem europäischen Hausmarkt brachen auf ein Fünftel ein. Für PM Technologies wird die Situation über Jahre existenzgefährdend. Um das Unternehmen zu retten, versucht Keuschnigg den Schritt auf andere Kontinente – und kann 2012 überraschend tatsächlich zwei Großaufträge im Erdölstaat Venezuela akquirieren. Nach der Durststrecke wird 2012 zum Spitzenjahr in Übersee, während das Geschäft in der EU mau bleibt. Die Folgejahre liefern aufgrund der Auftragsabwicklung einen guten Gewinn.
100.000 Euro Nachzahlung
Das entgeht auch der Finanzbehörde nicht. Diese beginnt plötzlich, bei der Lohnabgabenprüfung 2014 rückwirkend für fünf Jahre das Modell der stillen Mitarbeiterbeteiligung zu beanstanden. Für Keuschnigg sollte das teuer werden.
Zum Hintergrund: Die Firma PM Technologies hat seit jeher – wie übrigens selten ein Unternehmen – jedem ihrer Mitarbeiter eine Handvoll Beteiligungsscheine ausgestellt, „um den Betriebserfolg mit den Mitarbeitern zu teilen“, wie Keuschnigg im Gespräch erklärt. Für diese Zuwendungen fallen – ähnlich wie bei einer Aktie auch – weder Sozialversicherung noch Lohnsteuer an. Höchstgrenze für einen solchen Beteiligungs- schein ist bislang 1460 Euro.
Das Gesetz bietet den Behörden freilich viel Spielraum. Und so kam es, dass das Finanzamt die Mitarbeiterbeteiligung, die lange Zeit nicht beanstandet worden war, 2014 also insofern beanstandet hat, als die guten Auftragsjahre ab 2012 laut Finanzamt weit über dem angeblichen Branchenschnitt gelegen seien. Deshalb, so die Behörde, sollte ein Teil der Ausschüttungen als Lohnbestandteil eingestuft werden, für den dann eben auch die vorgesehenen Abgaben zu leisten wären. Im Falle von Keuschniggs Firma bedeutete dies, dass sie 69.885 Euro an Sozialversicherungsabgaben (inklusive Zinsen) und 31.384 Euro an sonstigen Lohnnebenkosten nachzahlen musste.
Kalkulation ist verunmöglicht
PM Technologies wollte und will das nicht hinnehmen. Ihr Rechtsvertreter, Christian Taumberger, läuft de facto dagegen Sturm, dass das Gesetz die Möglichkeit eröffnet, ein Beteiligungsmodell rückwirkend zu überprüfen – und zwar gleich bis zu fünf Jahre. Eine solche nachträgliche Beurteilung eines Sachverhaltes verunmögliche eine wirtschaftliche Kalkulation, so Taumberger zur „Presse“. Außerdem sei der Arbeitgeber durch den Beteiligungsvertrag ja seinen Mitarbeitern verpflichtet.
Bisherige Verhandlungen und Aussprachen erbrachten keine Einigung, obwohl sich auch die steirische Wirtschaftskammer bereits des Falles angenommen hat.
Nicht nur Keuschnigg bebt vor Zorn. Auch seine Mitarbeiter, die wohlgemerkt schadlos gehalten wurden, sind ungehalten, weil die Firma das Beteiligungsmodell ab 2015 umgestellt und die Mitarbeiterbeteiligung aufgrund der rechtlichen Unsicherheit reduziert hat. „Und als Folge der ganzen Geschichte planen wir, künftig derartige Geschäfte über eine ausländische Handelsgesellschaft abzuwickeln“, so Keuschnigg.
Vor Gericht
gegenüber Der Fall liegt vor dem Bundesfinanzgericht bzw. beim Bundesverwaltungsgericht in Graz. Das zuständige Finanzamt Oststeiermark war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Und der Staat seinerseits hat unabhängig von der Causa Keuschnigg offenbar nun doch Handlungsbedarf erkannt. Die Koalition hat sich diese Woche auf einen Gesetzesentwurf zur Mitarbeiterbeteiligung geeinigt, der immerhin eine höhere Obergrenze für Beteiligungen vorsieht. Kommen soll die Neuregelung 2018.