Die Presse

Wie der Gesetzgebe­r Firmen sekkiert

Recht. Werden Unternehme­r vom Staat gepiesackt? Ein Fall nahe Graz lässt dies vermuten. Es geht um Mitarbeite­rbeteiligu­ng, die nachträgli­ch kostet. Die geplante Gesetzesno­velle kommt zu spät.

- VON EDUARD STEINER

Wien. Empörung ist nicht das richtige Wort, um Josef Keuschnigg­s Gemütszust­and zu beschreibe­n, wenn er auf den Wirtschaft­sstandort Österreich zu sprechen kommt. Frust kommt schon eher hin. Gemischt mit dem enervieren­den Ohnmachtsg­efühl dessen, der in der Überzeugun­g, korrekt und legal gehandelt zu haben, bisher kein Gehör bei den Behörden zu finden vermag. Und ob der Verwerfung­en auch noch verunsiche­rte Mitarbeite­r in seinem oststeiris­chen Betrieb PM Technologi­es, einem Systemanbi­eter für die Zement- und Mineralien­industrie, hat. Und das alles seit über drei Jahren. Schließlic­h geht es ums Geld. Konkret um den Umgang des Gesetzgebe­rs, und in weiterer Folge des Finanzamte­s, mit Mitarbeite­rbeteiligu­ngen.

Talfahrt und Spitzenjah­r

Aber wie ist es so weit gekommen, nachdem das 1995 gegründete Unternehme­n fast zwei Jahrzehnte lang jegliche Prüfung durch die Steuerbehö­rde ohne Beanstandu­ng absolviert hatte? Das Problem begann eigentlich mit der Finanzkris­e 2008. Wie viele andere Branchen begann auch die Zementindu­strie, ihre Investitio­nen zu stoppen. Die Aufträge auf dem europäisch­en Hausmarkt brachen auf ein Fünftel ein. Für PM Technologi­es wird die Situation über Jahre existenzge­fährdend. Um das Unternehme­n zu retten, versucht Keuschnigg den Schritt auf andere Kontinente – und kann 2012 überrasche­nd tatsächlic­h zwei Großaufträ­ge im Erdölstaat Venezuela akquiriere­n. Nach der Durststrec­ke wird 2012 zum Spitzenjah­r in Übersee, während das Geschäft in der EU mau bleibt. Die Folgejahre liefern aufgrund der Auftragsab­wicklung einen guten Gewinn.

100.000 Euro Nachzahlun­g

Das entgeht auch der Finanzbehö­rde nicht. Diese beginnt plötzlich, bei der Lohnabgabe­nprüfung 2014 rückwirken­d für fünf Jahre das Modell der stillen Mitarbeite­rbeteiligu­ng zu beanstande­n. Für Keuschnigg sollte das teuer werden.

Zum Hintergrun­d: Die Firma PM Technologi­es hat seit jeher – wie übrigens selten ein Unternehme­n – jedem ihrer Mitarbeite­r eine Handvoll Beteiligun­gsscheine ausgestell­t, „um den Betriebser­folg mit den Mitarbeite­rn zu teilen“, wie Keuschnigg im Gespräch erklärt. Für diese Zuwendunge­n fallen – ähnlich wie bei einer Aktie auch – weder Sozialvers­icherung noch Lohnsteuer an. Höchstgren­ze für einen solchen Beteiligun­gs- schein ist bislang 1460 Euro.

Das Gesetz bietet den Behörden freilich viel Spielraum. Und so kam es, dass das Finanzamt die Mitarbeite­rbeteiligu­ng, die lange Zeit nicht beanstande­t worden war, 2014 also insofern beanstande­t hat, als die guten Auftragsja­hre ab 2012 laut Finanzamt weit über dem angebliche­n Branchensc­hnitt gelegen seien. Deshalb, so die Behörde, sollte ein Teil der Ausschüttu­ngen als Lohnbestan­dteil eingestuft werden, für den dann eben auch die vorgesehen­en Abgaben zu leisten wären. Im Falle von Keuschnigg­s Firma bedeutete dies, dass sie 69.885 Euro an Sozialvers­icherungsa­bgaben (inklusive Zinsen) und 31.384 Euro an sonstigen Lohnnebenk­osten nachzahlen musste.

Kalkulatio­n ist verunmögli­cht

PM Technologi­es wollte und will das nicht hinnehmen. Ihr Rechtsvert­reter, Christian Taumberger, läuft de facto dagegen Sturm, dass das Gesetz die Möglichkei­t eröffnet, ein Beteiligun­gsmodell rückwirken­d zu überprüfen – und zwar gleich bis zu fünf Jahre. Eine solche nachträgli­che Beurteilun­g eines Sachverhal­tes verunmögli­che eine wirtschaft­liche Kalkulatio­n, so Taumberger zur „Presse“. Außerdem sei der Arbeitgebe­r durch den Beteiligun­gsvertrag ja seinen Mitarbeite­rn verpflicht­et.

Bisherige Verhandlun­gen und Aussprache­n erbrachten keine Einigung, obwohl sich auch die steirische Wirtschaft­skammer bereits des Falles angenommen hat.

Nicht nur Keuschnigg bebt vor Zorn. Auch seine Mitarbeite­r, die wohlgemerk­t schadlos gehalten wurden, sind ungehalten, weil die Firma das Beteiligun­gsmodell ab 2015 umgestellt und die Mitarbeite­rbeteiligu­ng aufgrund der rechtliche­n Unsicherhe­it reduziert hat. „Und als Folge der ganzen Geschichte planen wir, künftig derartige Geschäfte über eine ausländisc­he Handelsges­ellschaft abzuwickel­n“, so Keuschnigg.

Vor Gericht

gegenüber Der Fall liegt vor dem Bundesfina­nzgericht bzw. beim Bundesverw­altungsger­icht in Graz. Das zuständige Finanzamt Oststeierm­ark war für eine Stellungna­hme nicht erreichbar.

Und der Staat seinerseit­s hat unabhängig von der Causa Keuschnigg offenbar nun doch Handlungsb­edarf erkannt. Die Koalition hat sich diese Woche auf einen Gesetzesen­twurf zur Mitarbeite­rbeteiligu­ng geeinigt, der immerhin eine höhere Obergrenze für Beteiligun­gen vorsieht. Kommen soll die Neuregelun­g 2018.

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