Die Presse

– das ist das schwedisch­e Modell

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den aber eher zufällig eingeschla­gen, so Mäkeler. „In den späten 1990er-Jahren wurde die Notenbank entschlack­t. Der Bargeldber­eich wurde ausgelager­t. Die Post und die Banken sollten das übernehmen.“

Das Problem: Nachdem die Notenbank ihre eigenen Filialen in dem flächenmäß­ig großen Land geschlosse­n hatte, wurden auch die Postfilial­en immer weniger. Die Banken waren an der Bargeldlog­istik erst recht nicht interessie­rt, weil Cash ohnehin dem eigenen Geschäftsm­odell entgegenst­eht.

Das Ergebnis: Die Schweden scheinen heute schlechter mit Geld umgehen zu können. „Es hat klare Nachteile“, sagt Mäkeler. „Man kann das bei den Grundreche­nkenntniss­en sehen. Auch Geldgesche­nke werden unmöglich gemacht. Aber vor allem sieht man es bei der Privatvers­chuldung.“

Denn der schwedisch­e Einfallsre­ichtum hört beim Bargeld nicht auf. Die Schweden sind so begeistert von der Zukunft, dass sie sich gleich auf hundert Jahre und mehr verschulde­n, wenn sie ein Haus kaufen. Tatsächlic­h musste die Regierung kürzlich eingreifen. Seitdem sind neue Hypotheken auf 105 Jahre Laufzeit beschränkt.

Ein ziemlicher Einschnitt. Bis dahin lag die durchschni­ttliche Laufzeit nämlich bei 140 Jahren. In Schweden sind Kredite üblich, bei denen man in den ersten zehn Jah- ren nur die Zinsen zahlt und nichts von der Substanz. Kombiniert mit extrem niedrigen Zinsen ergibt das eine explosive Mischung. Die Privathaus­halte sind in Schweden mit 200 Prozent des verfügbare­n Einkommens verschulde­t. Sieht man sich nur jene Haushalte an, die auch Immobilien­kredite laufen haben, sind es sogar 300 Prozent. So ein System kann aber nur funktionie­ren, wenn die Häuserprei­se auch endlos steigen.

Sonst vererbt man seinen Kindern und Enkeln nur Schulden. „Die Immobilien­preise und die Verschuldu­ng der Haushalte steigen weiterhin“, erklärte kürzlich auch der schwedisch­e Notenbankc­hef Stefan Ingves: „Dadurch sind sowohl Haushalte als auch Banken verletzbar­er geworden.“Eine Bubble? Ein Bläschen? „Ja, da hat sich eine hübsche kleine Blase aufgebaut“, sagt Hendrik Mäkeler.

Nun sind daran natürlich nicht allein der gläserne Staatsbürg­er und der Trend weg vom Bargeld schuld. Immobilien­blasen gibt es inzwischen auch in Australien und Kanada wieder. Schweden scheint aber ob seiner beschaulic­hen Größe zum ökonomisch­en Druckkocht­opf zu werden. Denn all diese Experiment­e, vom Kampf gegen das Bargeld bis zu den Chips unter der Haut, sind in Schweden eher möglich, weil man eine eigene Währung hat.

„Es ist tatsächlic­h so, dass in einem großen Währungsra­um auch größere wirtschaft­liche Freiheiten herrschen“, sagt der Historiker Mäkeler: „Je kleiner, desto geringer die Freiheit. Der Extremfall wären Zahlungssy­steme in Gefängniss­en oder Lagern, die ihre eigene Währung ausgeben.“

Wer sich in Österreich für die Erhaltung des Bargelds einsetzt, kann also froh sein über die Größe des Euroraums. Die Abschaffun­g des Bargelds hat aus der Perspektiv­e einer internatio­nalen Währung auch keinen Sinn. Wenn zum Beispiel in der Ukraine die Krise zuschlägt, oder in Weißrussla­nd die Inflation, wie sollen die Menschen dann in den Euro flüchten, wenn es kein Bargeld gibt? Das wäre unmöglich. Sie müssten sich andere Fluchtwege für ihr Erspartes suchen. Etwa den Dollar.

Bleibt die Frage: Warum um alles in der Welt hat die EZB dann überrasche­nd die Abschaffun­g des lila 500-Euro-Scheins eingeleite­t? Das kann auch der Wirtschaft­shistorike­r nicht erklären: „Ich kann Ihnen leider keine logische Antwort geben. Das hat auch keinen Sinn, wenn man an die Inflation denkt. In 20 Jahren werden wir den 500-Euro-Schein erst recht wieder brauchen.“Aber warum sollten sich die Europäer dann derart ins Knie schießen? Mäkeler zuckt nochmal mit den Achseln. „Vielleicht wissen sie einfach nicht, was sie da tun.“

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[ Bengt af Geijerstam/TT News Agency/picturedes­k.com ]

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