„Ich werde mich nicht mehr bewerben“
Interview. Dieses Wochenende wird die Direktion des Museums der Moderne in Salzburg neu ausgeschrieben. Die aktuelle Direktorin, Sabine Breitwieser, zieht Resümee. Sie sieht durch Aussagen der Kulturpolitik Schaden fürs Museum angerichtet.
Die Presse: Dieses Wochenende wird Ihr Posten, die Direktion des Museums der Moderne in Salzburg, neu ausgeschrieben. Der zuständige Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) hat sich bereits im Frühjahr gegen eine Verlängerung Ihres Vertrags ausgesprochen. Er hat Ihnen mangelnde soziale Kompetenz vorgeworfen, was Sie scharf zurückgewiesen haben. Ich nehme an, Sie werden sich nicht bewerben? Sabine Breitwieser: Stimmt, das werde ich nicht. Erstens ist mir schon bei der Vorbereitung zur Jahres-Pressekonferenz im Jänner klar geworden, dass ich alles, was ich mir bei meinem Antritt 2013 für das Museum vorgenommen habe, bereits erreicht habe. Es geht jetzt nur noch um den Abschluss der von mir durchgesetzten Bauprojekte. Zweitens ist in den vergangenen Wochen deutlich geworden, dass es klare Auffassungsunterschiede hinsichtlich Führung und Ausrichtung des Museums gibt. Das widerspricht dem, warum ich geholt wurde und letztlich nach Salzburg gekommen bin.
Zum Beispiel? Ich bin mir nicht sicher, ob mein Programm mit hoher Qualität und internationaler Ausrichtung mit lokalen und internationalen Kooperationen gewollt wird. Mir wurde vom Kulturlandesrat erklärt, dass mein Programm bei „den Salzburgern“nicht gut ankomme. Er hat mir überraschend mitgeteilt, dass er meinen Vertrag nicht verlängern werde und ich mir nun einen neuen Job suchen könne. Es war ja nicht Schellhorn, der mich „geholt“hat. Ich forderte daraufhin eine faire Evaluierung durch den Aufsichtsrat und den Landeshauptmann, und wir haben vereinbart, dass vorher niemand an die Presse geht.
Schellhorn wurde dann mehrfach mit der Behauptung zitiert, dass Sie seit Ihrem Antritt 20 von 50 Leuten ausgetauscht hätten. Stimmt das? 5020 ist die Postleitzahl von Salzburg. Sonst fällt mir dazu nichts ein. Wir sind aktuell um die 70 Mitarbeiter im Team, was sich immer wieder ändert. Einige Stellen habe ich mit Zustimmung des Aufsichtsrates neu besetzt, einige Mitarbeiter sind in Ruhestand gegangen, andere konnten sich beruflich verbessern. Ich bedauere sehr, dass hier zum Schaden des Museums ein falsches Bild vom Team gezeichnet wird, denn viele leisten tolle Arbeit. Das kommt also aus dem Nichts? Eine Neuausrichtung und Aufwertung des Museums, wie es mit meiner Bestellung gewünscht war, fordert mitunter auch Veränderungen im Team. Das betrifft auch den Arbeitsstil, an den in punkto Ergebnisorientiertheit, Professionalität und wissenschaftliches Arbeiten von mir höhere Anforderungen gestellt sind. Einige im Team haben sich unter diesen Prämissen gut entwickelt; u. a. war es mir wichtig, dass die Kuratorinnen nach ihren Möglichkeiten und Interessen ein eigenes Profil ausbilden. Wenn sich einige nicht so leicht tun, ist das eine völlig normale Entwicklung in einer Organisation. Wir – damit meine ich mich und das Team – haben in den letzten Jahren sehr viel geleistet.
Salzburg scheint ein schwieriges Pflaster für weibliche Autoritäten mit Ehrgeiz, die von außen kommen. Woran liegt das? Mir ist tatsächlich aufgefallen, dass wenn ich Männer als Boten meiner Vorschläge nutze, diese eher akzeptiert werden. Vielleicht liegt es auch daran, dass sich in dieser Stadt alle kennen. Ich habe mir jedenfalls mehr Unterstützung erhofft, nicht nur in der Teambildung, sondern auch bei der Umsetzung von vereinbarten Projekten wie dem Bau des Depots, der Renovierung des Rupertinum mit dem Generali-FoundationStudienzentrum. Ich habe sehr viel Kraft gebraucht, all das durchzusetzen.
Was wird mit der Generali-FoundationSammlung passieren, die Sie ja gegründet haben und die Sie dann mit nach Salzburg genommen haben? Der Vertrag ist nicht an meine Person gebunden. Natürlich ist der Konzern sehr irritiert von dem, was hier passiert und passiert ist. Die Partnerschaft war terminlich so aufgebaut, dass ich die Umsetzung auch persönlich einige Zeit betreuen kann.
Ihr Vertrag läuft noch ein Jahr, bis August 2018. Ihre Nachfolge soll im Herbst bestimmt werden. Seit Frühjahr wirken Sie wie eine „Dead woman walking“. Ich mache meine Arbeit wie zuvor; aufgrund unserer Ausstellung hat Carolee Schneemann eben den Goldenen Löwen in Venedig erhalten, ich habe gerade in Frankfurt ihre Ausstellung aufgebaut und eröffnet. Aber es ist natürlich schwierig, in der derzeitigen Situation ein Programm zu entwickeln, das ich nicht mehr betreuen werden. Viele fragen mich, ob ich überhaupt noch in Salzburg bin.
Die Besucherzahlen unter Ihnen sind zuletzt zurückgegangen. Wobei Schellhorn betonte, dass das nicht ausschlaggebend war, sie nicht zu verlängern. Wir sind immer noch das meistbesuchte Museum für moderne und zeitgenössische Kunst außerhalb Wiens. Die Schwankung bewegt sich in einem verantwortungsvollen Rahmen. Mit hochgerechnet 110.000 Besuchern bei einer 150.000-Einwohnerstadt sind wir gut aufgestellt.
Zuletzt sind die Leute auch aus Wien wieder extra wegen Ausstellungen nach Salzburg gefahren. Ich denke an Retrospektiven zu Walter Pichler, Andrea Fraser oder aktuell Charlotte Moorman. Im Sommer folgt jetzt William Kentridge. Der von mir gesetzte Schwerpunkt auf feministische, Performance-basierte Kunst der 1960er- und 1970er-Jahre hat sich wirklich sehr bewährt. Als ich angetreten bin, habe ich mir gewünscht, dass Menschen nach Salzburg kommen, um eine bestimmte Ausstellung zu sehen – und dann vielleicht auch eine Veranstaltung bei den Salzburger Festspielen besuchen. Nicht umgekehrt, wie bisher. Es ist wichtig, dass das Museum mit den Festspielen kooperiert, aber das Museum muss seinen eigenen Stellenwert haben. Die Rückmeldungen, die ich erhalte, zeigen, dass mir das in kurzer Zeit gelungen ist. Worauf ich auch stolz bin: Ich habe die wenig bekannte hauseigene Sammlung, die teils in desolatem Zustand war, in Themenausstellungen und durch Restaurierung wirklich aufwerten können. Über 400 Werke, vor allem Malerei und raumgreifende Werke, Ankäufe und Schenkungen, kamen seit 2013 außerdem neu in die Sammlung.