Die Presse

Stadtvedut­en, Stillleben, Zivilisati­onsmüll

Rudolf Hradil. Zehn Jahre nach seinem Tod wird das OEeuvre des österreich­ischen Malers Rudolf Hradil (1925–2007) nun systematis­ch aufgearbei­tet.

- VON JOHANNA HOFLEITNER

Krems. Rudolf Hradil war ein österreich­ischer gegenständ­licher Maler, Druckgrafi­ker und Zeichner und wird der späten klassische­n Moderne zugerechne­t. Werke von ihm finden sich in wichtigen österreich­ischen Sammlungen. Rudolf Hradil war keiner der Lauten, keiner, der sich an der vordersten Front des Kunstbetri­ebs aufstellte, um aufzufalle­n. Das war nicht der Stil seiner Generation. Geboren in der Zeit zwischen den beiden Weltkriege­n in Salzburg, wuchs er in einer künstleris­chen Familie auf: Der Vater war Zeichenleh­rer. Die Mutter hatte in Weimar bei Leo Putz ebenfalls Malerei studiert. Der Onkel war Architekt. Rudolf Hradils Jugend war aber zuvorderst von der Erfahrung des Krieges geprägt. Frei zu zeichnen begann er in der Kriegsgefa­ngenschaft. Das war für ihn letztlich der späte Anstoß, eine künstleris­che Laufbahn einzuschla­gen.

Nach dem Malereistu­dium an der Akademie der Bildenden Künste 1947–1951, unter anderem bei Boeckl und Gütersloh, sowie Ferialstud­ien bei Anton Kolig ging er mit einem Stipendium nach Paris. Diese Zeit war prägend für den Künstler, vor allem aufgrund der Besuche im Studio von Fernand Leger.´ „Ich entdeckte dort nicht nur mein Interesse an Stadtlands­chaften, sondern auch meine Vorlieben für den Kritzelsti­l und die duftigen Farben der Aquarellma­lerei“, erinnert er sich. „Auch motivisch hat mich Fernand Leger´ beeindruck­t.“Worin sich die beiden allerdings nicht einig wurden, war die Frage des Formats. Leger´ legte ihm nahe, nach seinen Entwürfen und Skizzen großformat­ige Bilder zu malen. „Das scheiterte allerdings an den bescheiden­en Ausmaßen des kleinen Mansardenz­immers, das ich am Montparnas­se gefunden hatte“, erinnert sich Hradil. Später arbeitete er in größeren Formaten, doch das richtig Großmaßstä­bliche war zeitlebens nicht Seines.

Umso intensiver beschäftig­te er sich mit der Zeichnung – vor allem der Federzeich­nung –, dem Aquarell und druckgrafi­schen Techniken. „Worauf es ankommt, ist die Spontaneit­ät der Umsetzung, ist die kalligrafi­sche Handschrif­t als direkter Ausdruck der Sensibilit­ät“, schreibt er. „Deswegen liegen mir auch Federzeich­nung und Aquarell mehr als die schwerfäll­ige Ölmalerei.“Die Zeichnung war ihm nicht zuletzt auch Mittel der Vorbereitu­ng und Einstimmun­g auf Farbklänge. „Weil ich nicht lediglich optische Eindrücke, sondern das psychische Erlebnis dieser Eindrücke wiedergebe­n will, male ich meine Aquarelle im Hotelzimme­r oder Atelier, nicht vor der Natur.“

Ein weiterer Mentor war Max Peiffer Watenphul. Ihm begegnete er um 1964. Hradil beschreibt ihn als „großen Anreger“, der „den letzten entscheide­nden Einfluss“auf seine künstleris­che Entwicklun­g ausübte. Er lehrte ihn die Aquarellma­lerei und perfektion­ierte ihn in der Farblithog­rafie. Noch wichtiger aber war sein intellektu­eller Einfluss: „Anhand seiner umfangrei- chen Sammlung moderner Kunst – Grosz, Klee, Gilles und anderer – hat er mich aus Abgeschied­enheit an internatio­nale Kunstmaßst­äbe herangefüh­rt“, so Hradil.

Städte als Forschungs­feld

Die Internatio­nalität suchte Hradil auch auf seinen Reisen, die ihn nach Italien, Griechenla­nd, Frankreich, London, Paris, Berlin, New York und immer wieder nach Venedig und Rom führten. Die Städte waren letztlich sein hauptsächl­iches künstleris­ches Forschungs­und Experiment­ierfeld. Stadtbilde­r bestimmen als moderne Stadtvedut­en das Gros seines Oeuvres. Hradil: „Mir geht es stets darum, eigenes Erleben umzusetzen. Deswegen fasziniere­n mich Stadtmotiv­e; sie gehören zu den häufigsten menschlich­en Erfahrunge­n, weil dort einfach die meisten Menschen leben.“Sein großes Interesse galt den Randzonen und Peripherie­n. „Gewisserma­ßen als Flaneur bin ich oft und gern aus den Zentren an die Peripherie­n, in die Hafenanlag­en großer Städte gewandert, um mich dort für meine grafische Arbeit inspiriere­n zu lassen“, notiert er. Besondere Faszinatio­n übte auf ihn Rom aus: „Mich regt das Nebeneinan­der, Einander-Überlagern und Ineinander-Dringen antiker, barocker und moderner Architektu­r und technische­r Kürzel, Zeichen und Formen, wie Rom es aufweist, ganz besonders an.“Die so entstanden­en Rom-Arbeiten füllen ein ganzes Buch („Roma Amor“). Schon die frühen Ölbilder, Zeichnunge­n und Lithografi­en aus den 1950ern belegen sein Interesse am „Zivilisati­onsmüll“. Es ist dies ein Interesse, das sich bis ins Spätwerk mit seinen verschoben­en Perspektiv­en behauptet. Hradil: „Der Serienabfa­ll der Industrie, der Zivilisati­onsmüll, ebenso Gegenständ­e des täglichen Gebrauchs haben mich zu Kompositio­nen angeregt.“

Ein kleines Segment von Rudolf Hradils Schaffen machen die Stillleben aus, deren Charakteri­stika einerseits ihre spannungsv­ollen Kompositio­nen, anderersei­ts ihre eigenwilli­g verhaltene Farbigkeit ist. Und auch hier schieben sich ab und zu urbane Segmente ins Bild – Antikes wie Peripheres. Klassische Modernität sozusagen.

 ?? [ Galerie Kopriva ] ?? „Spanische Treppe“(Rom), um 1990, Aquarell von Rudolf Hradil.
[ Galerie Kopriva ] „Spanische Treppe“(Rom), um 1990, Aquarell von Rudolf Hradil.

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