Der Architekt Carl v. Etzel und seine Brennerbahn
Den genialen Ingenieur Karl Ritter v. Ghega kennt in Österreich jedes Schulkind (hoffentlich). Den ebenso begabten und kühnen Carl von Etzel keiner. Dabei war er der Erbauer der Brennerbahn. Ein gutes Stück altösterreichischer Ingenieurskunst, das heute ebenso noch in Schuss ist wie die Semmering-Bahnstrecke Ghegas. 1812 in Stuttgart in eine Baumeisterfamilie hineingeboren, sollte Etzel zunächst Theologie studieren, der Vater wollte was „Krisensicheres“. Aber die Talente des Sohnes lagen eher bei den Naturwissenschaften, bei der Statik, beim Bau von Gewölben und Brücken. In der Schweiz legte er erste Proben seines außergewöhnlichen Talents ab, im Juli 1863 erfolgte die Vergabe des Bahnbaus auf der Strecke Bozen–Brixen–Brenner. Und es war in der Tat ein Sensationsprojekt für die damalige Zeit unter Berücksichtigung der einfachen technischen Hilfsmittel, die Etzel und seinem Team zur Verfügung standen. Zehntausende Tagelöhner schufteten auf der Trasse und unter Tag. Unklar ist die Zahl der Toten, die das gigantische Unterfangen forderte. Genaue Unterlagen konnten die Autoren nicht auffinden. Aber so viel ist belegbar: Im Notspital am Brennersee starben zwischen 1864 und 1865 an Unfällen und Krankheiten 223 Arbeiter. Manche Verletzten wurden auch in Bozen und in Innsbruck versorgt. 1955 musste die letzte Ruhestätte vieler sizilianischer Arbeiter einem Gemeindehaus weichen. In Gries am Brenner ist die Wasserstation zur Speisung der Dampflokomotiven noch heute gut erkennbar. Auch in Franzensfeste stand ein derartiges Ungetüm. Dort konnten innerhalb von 24 Stunden dreißig Loks gespeist werden. Die erste Probefahrt erfolgte am 10. Mai 1867. Das große Werk war vollendet, dem Aufschwung der Südbahngesellschaft stand nichts mehr im Wege.
Etzel durfte es nicht mehr erleben. 53-jährig, nie ganz frei von Sorgen, starb er am 2. Mai 1865. Auf seiner letzten Fahrt heim nach Stuttgart. In einem Eisenbahnwaggon. (hws) Angelika Jursitzka, Helmut Pawelka, „Carl von Etzel – Ein Leben für die Eisenbahn“, TyroliaVerlag, 269 Seiten, 27,95 €