Von der Lust, an Keramik zu forschen
Die Erforschung der sogenannten Lüsterkeramik, einer mittelalterlichen Technik der Keramikglasur, bringt sowohl Kunsthistorikern als auch Künstlern neue Erkenntnisse.
Als mein in Kaschan in Iran lebender Kollege, der Künstler Abbas Akbari, vor zehn Jahren den berühmten Mihrab aus Kaschan im Museum für Islamische Kunst in Berlin sah, entwickelte er sofort eine Beziehung zum Kunstwerk“, erzählt der Kunsthistoriker Markus Ritter von der Universität Wien. Damals kam Akbari auf die Idee, eine Kopie des mittelalterlichen Lüstermihrabs für die Maidan-Moschee, wo er vor rund 120 Jahren entfernt wurde, herzustellen. Akbari lehrt Keramiktechnologie und Kunsthandwerk an der Universität Kaschan und ist ein international erfolgreicher Keramikkünstler. Mit Ritter, einem Experten für islamische Kunst, verbindet ihn das Interesse an der Gebetsnische aus dem Jahr 1226 und der hochspezialisierten Technik der Lüsterkeramik.
„Lüstermalerei auf Glas war bekannt. Sie auf Keramik anzuwenden, ist eine Innovation des neunten Jahrhunderts aus dem heutigen Irak. Dort, in der arabischen Kalifenresidenz Samarra, wurde der größte Fund an früher Lüsterkeramik gemacht“, sagt Ritter. Lüsterkeramik erkennt man an ihrem metallischen Glanz. Je nachdem, wie das Licht einfällt, schimmert sie in verschiedenen Goldtönen. Dieser Effekt wird erzielt, indem mit Metallsalzen aus Silber oder Kupfer auf die zuvor in heller Farbe glasierte Keramik gemalt wird. Ein spezielles Brennverfahren entzieht den Salzen den Sauerstoff. Übrig bleibt eine hauchdünne Metallschicht.
Keramik, die wie Gold aussieht
„Es geht um den visuellen Effekt, der kostbaren Metallgefäßen ähnelt. Das kann man durchaus als Hightech des frühen Mittelalters bezeichnen. Einige Quellen sprechen von ,goldener Keramik‘“, erklärt der Experte. Nur eingeweihte Keramiker kannten das Verfahren. Das Know-how wurde innerhalb der Familie weitergegeben. Spätere Werkstattbücher sind die einzigen erhaltenen Quellen. Um heute Lüsterkeramik herzustellen, braucht es beides: Theorie und Praxis.
Akbari hat die Technik erforscht und viel experimentiert. Seine Kopie des Lüstermihrabs, der aus mehr als 70 Fliesen besteht, ist nun in einer Kunstgalerie in Teheran ausgestellt worden. Markus Ritter hat sich in einem Forschungsprojekt mit dem kunsthistorischen Kontext des Lüstermihrabs befasst. Dieser ist für ihn auch ein Beispiel, wie Objekt- und Forschungsgeschichte zusammenhängen: 1927 wurde der Mihrab an das heutige Museum für Islamische Kunst in Berlin verkauft. Da-
Nach dem Rohbrand wird die Keramik hell glasiert und teils bemalt. Dann folgen die Lüsterbemalung mit Metallsalzen und der Lüsterbrand. Im Mittelalter verwendete man dafür spezielle Öfen und verbrannte zum Schluss etwa Stroh, um eine sauerstoffreduzierende Atmosphäre zu erzielen. Dem Metallsalz wird so der Sauerstoff entzogen. Lüster wird lange, dafür bei relativ niedriger Temperatur gebrannt. Das Farbergebnis hängt von den Metallsalzen, von Brennvorgang und Glasur ab. vor befand er sich in Besitz des Engländers John Richard Preece, der ihn vermutlich im Jahr 1897 nach Wimbledon bringen ließ. „Mit dem Verkauf an ein europäisches Museum wurde der Mihrab zugänglich gemacht. So wurde Lüsterkeramik auch für die Wissenschaft interessant. Über die Geschichte des Objekts hat sich die Forschungsgeschichte, speziell der europäische Blick auf solche Objekte aus dem Orient, verändert“, berichtet Ritter.
Persische Reiseberichte
Seine Forschung zeigte etwa auf, dass der Mihrab nicht erst durch die Französin Jane Dieulafoy „entdeckt“wurde, sondern bereits zuvor in persischen Reiseberichten erwähnt wurde. Verständnis und Wertschätzung für dieses Kunstobjekt bestanden in Iran unabhängig vom europäischen Interesse. Eine Erkenntnis, die laut Ritter „für das Schreiben über islamische Kunstgeschichte sehr wichtig ist“.
Die große Wertschätzung belegt auch der Umstand, dass sich der Mihrab ursprünglich wahrscheinlich an einem anderen Ort befand: Die Maidan-Moschee ist nämlich jünger. Alle anderen Lüstermihrabe standen zudem zur damaligen Zeit in Grabbauten, nicht in Moscheen. Wo der Mihrab anfänglich stand und welche Verwendung er in der mittelalterlichen Architektur fand, waren zentrale Fragen, auf die der Forscher Antworten suchte.
Auf die Wirkung kommt es an
Der Lüstermihrab deckt somit kunsthistorisches wie auch künstlerisches Forschungsinteresse ab. Um seine Bedeutung zu verstehen, hilft ein Vergleich: In Kirchen wird mithilfe der Architektur viel Aufwand betrieben, um die Aufmerksamkeit auf die Chorapsis zu lenken. Genauso verhält es sich bei der Gebetsnische, dem Mihrab, wo der Vorbeter sitzt. Der Glanz der Lüsterkeramik hat die visuelle Wirkung verstärkt und zur Schönheit beigetragen.
Ob eine Kopie des Lüstermihrabs wieder in die Moschee nach Kaschan kommt, ist noch offen.