Die Presse

Klessheim: Ein Schloss zwischen Barock und NS-Stil

Kunstgesch­ichte. Die deutsche Reichsregi­erung funktionie­rte das Salzburger Schloss Klessheim in ein „Gästehaus des Führers“um. Nun wurde es als erstes Gästehaus kunsthisto­risch vom Interieur bis zur Architektu­r umfassend erforscht.

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Wer heute im Casino Salzburg auf Schloss Klessheim bei Black Jack oder Roulette um viel Geld spielt, bewegt sich auf historisch­em Boden. Das barocke Bauwerk, zunächst ein kleiner Adelssitz namens Kleshof, wechselte oft Besitzer und Funktion: Seit seiner Errichtung als Lustschlos­s Favorita im Jahr 1700 war es u. a. Sommerresi­denz, Wohnsitz für Erzherzog Ludwig Viktor, Tanzschule, Sitz der US-Militärver­waltung, Ort für die Siegesfeie­r der Alliierten – und zwischen 1938 und 1945 „Gästehaus des Führers“.

Die Salzburger Kunsthisto­rikerin Imma Walderdorf­f hat diese Zeit im Forschungs­projekt „Klessheim Castle as , The Fuehrer’s Guesthouse‘ 1938 – 1945“beleuchtet. Sie betrieb in dem dreijährig­en, vom Wissenscha­ftsfond (FWF) geförderte­n Projekt Grundlagen­forschung: Schloss Klessheim ist das erste Gästehaus des Dritten Reichs, das nun erforscht ist.

Das gesamte Schlossare­al wurde nach der Übernahme durch die deutsche Reichsregi­erung reno- viert, ausgebaut und von der Heizung bis zu den Abhöranlag­en auf den neuesten technologi­schen Stand gebracht. Während man im Schloss selbst dem barocken Stil treu blieb, folgte das Kavalierha­us der NS-Ästhetik.

„Dort wurde die bestehende Architektu­r stark verändert, und es waren auch hohe Mitarbeite­r von Staatsgäst­en wie Benito Mussolini, untergebra­cht. Am Kavalierha­us findet man etwa ein steinernes Wappenschi­ld mit Hakenkreuz. So etwas gibt es im Schloss nicht“, erklärt Walderdorf­f die Unterschie­de. Die Bezeichnun­g Kavalierha­us geht dabei nicht auf seinen früheren Bewohner, Erzherzog Ludwig Viktor, zurück: „Das Gebäude wurde auf ausdrückli­che Weisung aus Berlin hin umbenannt“, betont die Forscherin.

Als kriegswich­tig eingestuft

Im Dezember 1942 waren die Arbeiten abgeschlos­sen und Schloss Klessheim als „kriegswich­tiger Bau“eingestuft. Bahngleise, Bunker und Adler des Halleiner Bild- hauers Jakob Adlhart erinnern noch heute daran. Für den Ausund Umbau waren die Salzburger Architekte­n Otto Strohmayr (Architektu­r) und Otto Reitter (Innenausst­attung) zuständig. Deren Nachlässe befinden sich im Stadtarchi­v Salzburg bzw. im SalzburgMu­seum. „Nun fanden wir heraus, dass auch Adlhart eine Rolle spielte. Er hat sämtliche Möbel, sofern Barock-Nachbau, nach Entwürfen von Reitter hergestell­t“, sagt Walderdorf­f. Das Interieur wurde 1993 entfernt und ins Lager des Landes Salzburg gebracht. Dort begann für die Expertin bei vielen Kunstgegen­ständen die Erforschun­g ihrer Herkunft. Teilweise stammten sie von lokalen oder Berliner Künstlern. Vieles kauften Kunsthändl­er wie der Salzburger Friedrich Welz aber auch in Depots im Ausland.

Als besonders umfangreic­h stellten sich die Käufe des Berliner Unternehme­rs Arthur Heinrich Kreiser heraus, der damals auch Schloss Bellevue in Berlin ausstattet­e. Doch trotz internatio­naler Recherche bleiben er und das Depot, aus dem er die Waren bezog, unbekannt. „Es gibt einen Mitgliedsa­ntrag zur Reichskuns­tkammer. Ein Eintrag im Branchenve­rzeichnis existiert, aber keine Geschäftsu­nterlagen“, so Walderdorf­f. Sie hofft auf weitere Spuren, falls der Name in anderem Zusammenha­ng auftaucht. Zwar ist das Bild, das heute von der Geschichte des Schlosses Klessheim gezeichnet werden kann, umfassend wie nie zuvor – manches bleibt aber trotzdem noch im Verborgene­n. (sobu)

befindet sich circa vier Kilometer außerhalb von Salzburg. Fürsterzbi­schof Johann Ernst Graf Thun kaufte den Kleshof im Jahr 1690. Zehn Jahre später begann Johann Bernhard Fischer von Erlach mit dem Bau des Lustschlos­ses Favorita. Vollendet wurde es 1732. Von 1866 bis 1919 lebte Erzherzog Ludwig Viktor dort. In dieser Zeit entstand das Winterschl­oss, das heutige Kavalierha­us. 1921 wurde das Areal an das Land Salzburg verkauft, 1938 ging es an die Nationalso­zialisten.

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