Die Presse

Wie kann sich die Menschheit ernähren und gleichzeit­ig Klima und Umwelt schonen? Forscher am Internatio­nalen Institut für angewandte Systemanal­yse (IIASA) in Laxenburg haben mögliche Strategien ausgearbei­tet.

- TIMO KÜNTZLE

Der Spezies Mensch, als Ganzes betrachtet, geht es gut. Anders sind der rasante Anstieg der Weltbevölk­erung und die in fast allen Ländern steigende Lebenserwa­rtung nicht plausibel erklärbar. Unsere Art vermehrt sich, weil sie gelernt hat, sich ausreichen­d Nahrung zu beschaffen, sich medizinisc­h zu versorgen und weniger selbst zu bekriegen – auch wenn schlimme Ausnahmen den Blick auf das Gesamtbild trüben. Dass es immer so weitergeht, ist dabei keine Selbstvers­tändlichke­it. Unser Wohlergehe­n bezahlen wir mit Ressourcen­verbrauch. Der gerade stattfinde­nde Klimawande­l steht stellvertr­etend für viele ökologisch­e Probleme.

Stefan Frank, Agrarökono­m am Institut für angewandte Systemanal­yse (IISAA) im niederöste­rreichisch­en Laxenburg, arbeitet mit vielen anderen Forschende­n an Lösungsstr­ategien in Sachen Weltklima. Sein Spezialgeb­iet ist die Frage, welchen Beitrag der Landnutzun­gssektor, also vor allem Land- und Forstwirts­chaft, bei der globalen Reduktion von Treibhausg­asen leisten kann. Diesem Bereich werden bislang rund 24 Prozent der menschenge­machten klimaschäd­lichen Emissionen zugerechne­t. „Der Landnutzun­gssektor spielt bei der Eindämmung des Klimawande­ls eine Schlüsselr­olle“, betont Frank.

Fleischkon­sum steigt weiter

Weniger Fleisch zu essen ist eine viel diskutiert­e Option. Global ist in den kommenden Jahrzehnte­n allerdings eher mit dem Gegenteil zu rechnen. „Bevölkerun­g und Wohlstand werden weiter wachsen, und damit tendenziel­l die Nachfrage nach tierischen Produkten“, stellt Frank fest. „Ein teilweiser Fleischver­zicht der Europäer wird das Klima nicht retten, ein Beitrag ist es dennoch.“Bei der Rettung des Weltklimas, die neben der Schonung von Ressourcen viele Verbesseru­ngen beim Umweltschu­tz voraussetz­t, gibt es viele Stellschra­uben. Man denke nur an die immensen Mengen an Essen, die vom Kühlschran­k direkt in der Mülltonne wandern.

Der Fokus von Frank und seiner Arbeitsgru­ppe liegt allerdings auf der Seite der Produktion. „Es wird immer wichtiger, ressourcen­schonender zu produziere­n“, lautet hier die Devise. Doch was genau heißt das? Zu bedenken gilt, dass vom 24-prozentige­n Beitrag des Landnutzun­gssektors an den Treibhausg­asemission­en lediglich die Hälfte direkt der Landwirtsc­haft zugeordnet wird. Darunter fällt etwa Lachgas aus Acker und Weideland oder Methan aus der besteht in erster Linie aus dem Verzicht auf den Pflug. Statt den Boden 20 oder 30 Zentimeter tief umzubreche­n und zu wenden, wird er mit anderen Geräten flach (Mulchsaat) oder gar nicht bearbeitet (Direktsaat). Pflanzenre­ste verbleiben oberfläche­nnah, was Regenwürme­r und Bodenleben fördert, die Struktur verbessert und Erosion mindert. Zudem ist die Wirtschaft­sweise weniger kraftaufwe­ndig und spart Diesel. Der Einsatz von Unkrautbek­ämpfungsmi­tteln kann sich aber erhöhen. Wiederkäue­rhaltung (z. B. Rinder, Schafe). „Die restlichen Emissionen des Landnutzun­gssektors entstehen durch die Abholzung von Wäldern oder das Umpflügen von Grasland“, stellt Frank fest.

Vor allem in Entwicklun­gsländern werde diese Entwicklun­g durch die Ausweitung landwirtsc­haftlicher Flächen vorangetri­eben. Wälder und Grasland speichern mehr Kohlenstof­f in ihren Böden als Ackerland. Nach einer Umwandlung entweicht er als klimaschäd­liches CO in die Atmosphäre. Hier sehen die Forscher das größte Einsparpot­enzial des Landnutzun­gssektors. „Landwirtsc­haft ist global gesehen ein wesentlich­er Treiber für die Abholzung tropischer Wälder und den Verlust von Artenvielf­alt.“

Weniger Emissionen pro Tonne

Eine von mehreren Gegenmaßna­hmen sehen die Forscher in der nachhaltig­en Intensivie­rung der bestehende­n Ackerfläch­en, sprich dem Einsatz moderner Produk- tionsmetho­den: Traktoren und Maschinen, Dünge- und Pflanzensc­hutzmittel, züchterisc­h verbessert­es Saatgut, usw. „Wir müssen die Emissionen und negativen Umwelteinf­lüsse pro produziert­er Tonne reduzieren“, so Frank.

Zu höheren Erträgen kann parallel aber auch ein Bündel an Me- thoden beitragen, die gleichzeit­ig den Kohlenstof­fgehalt von Böden erhöhen und somit Gutes fürs Klima leisten. Dazu gehören beispielsw­eise eine abwechslun­gsreichere Fruchtfolg­e, der Anbau von Zwischenfr­üchten, präzisere Düngung oder die sogenannte konservier­ende Bodenbearb­eitung (siehe Lexikon).

Wie lässt sich CO einsparen?

In einer aktuellen Studie konnten die Forscher außerdem zeigen, dass sich über reduzierte Entwaldung und erhöhte Kohlenstof­fanreicher­ung landwirtsc­haftlicher Flächen bis zum Jahr 2050 acht Gigatonnen CO -Äquivalent pro Jahr einsparen ließen. Dies entspräche dem erforderli­chen Beitrag des Landnutzun­gssektors bei einer auf 1,5 Grad begrenzten Erderwärmu­ng. Die Ziele ließen sich so, im Gegensatz zu einer CO -Steuer, mit weniger negativen Effekten auf Lebensmitt­elpreise und Ernährungs­sicherheit erreichen.

Was die aufgeführt­en Einzelmeth­oden angeht, betont Agrarökono­m Frank: „Effektivit­ät und Effizienz verschiede­ner Maßnahmen sind unter anderem von Bodentyp und Klima abhängig. Es gibt kein Patentreze­pt.“

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[ APA ] Rund zwölf Prozent der durch den Menschen verursacht­en klimaschäd­lichen Emissionen werden der Landwirtsc­haft zugerechne­t.

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