Ein kleiner Würfel plant die ganze Gartenbewässerung
Elektronik. Die Sensoren des Wiener Start-ups Viracube messen Bodenfeuchtigkeit, Lichtstärke und Temperatur. Mit diesen Informationen lässt sich der Garten intelligent bewässern: Denn das System gießt nur, wenn es auch wirklich notwendig ist – und berücks
PEndlich kam der erlösende Regentag im heißen Sommer 2015. Als Roland Grösslich nach Hause kam, sah er trotz Regen den Rasensprenger in Betrieb. Wie jeden Tag hatte dieser sich um 18 Uhr eingeschaltet. Früher hatte ohnehin Grösslichs Lebensgefährtin gegossen, aber wegen eines Kreuzbandrisses musste sie mit Krücken gehen, und das Paar schaffte sich den automatischen Rasensprenger an.
Im Haushalt haben die beiden vieles digital geregelt. „Das Heizsystem war der Einstieg ins Smart Home“, erzählt Grösslich heute. „Für den Garten gab es bisher nichts Ähnliches, wie uns dann durch die neue Situation mit dem Rasensprenger auffiel.“Er erkundigte sich auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin nach aktuellen Entwicklungen. Schließlich beschloss er, die Marktlücke zu füllen. Für die technische Ausführung arbeitete er mit Alexander Lampret zusammen, der Biomedical Engineering & Medical Infor- matics studiert hatte und aus der Produktentwicklung kam. Dieser schuf die Elektronik und Software hinter dem neuen Produkt namens Viracube.
Von der Idee zum Prototypen
Von der ersten Idee seien sie heute weit entfernt, meinen die beiden. „Damals wollten wir das Ventil am Wasserhahn übers Handy steuern“, sagt Grösslich. Entstanden ist daraus, gefördert vom Austria Wirtschaftsservice AWS, die Bewässerungssteuerung über einen würfelförmigen Prototypen. Dieser ist für die Bezeichnung „Cube“im Namen verantwortlich. Das „Vira“steht übrigens für „Virtual Rain“.
Die Basisvariante des fertigen Produkts ab 399 Euro besteht aus Ventil, Sensor und dem Cube, der von den Sensoren gemessene Daten wie Bodenfeuchtigkeit, Temperatur und Sonnenintensität speichert. Die Steuereinheit verarbeitet die Informationen und entscheidet anhand eines Algorithmus, also anhand von Berechnungen im Hintergrund, die Bewässe- rung. „Bisherige Systeme waren zeitgesteuert“, sagt Grösslich. „Um sieben Uhr in der Früh 15 Minuten Wasser, hieß es. Wir machen das anders.“Der Sensor gibt dem Ventil am Wasserhahn vor, welcher Bereich im Garten wann Wasser bekommt. Die Hecke beispielsweise wird mit dem Tropfschlauch bewässert, die Wiese hingegen wird in nur in der Früh gegossen, bevor die Sonne voll daraufscheint.
Der Algorithmus bestimmt nicht nur den Zeitpunkt, sondern unterbricht nach zehn Minuten, bis das Wasser versickert ist und er eine Zwischenmessung machen kann. Das ermöglicht es, auch harte Böden und Hanglagen zu bewässern. Ab vier Grad gibt das schlaue Gerät außerdem eine Frostwarnmeldung, und auch ab einer gewissen Beleuchtungsstärke bewässert es nicht.
„Es gibt vieles, das der Viracube beachten und über eine eigene App steuern kann“, sagt Grösslich. Freaks könnten mit dem System spielen und beispielsweise die Feuchtigkeitsgrenzen oder ähnliches verändern. Für alle anderen gibt es eine automatisierte Lösung mit Standardeinstellungen. Dazu funktioniert das System mit seinem eigenen Funksystem ohne Internet.
Weltweit zugreifen
Für die Installation ist allerdings ein Smartphone notwendig. Damit programmiert man den Sensor für die unterschiedlichen Bereiche – Hochbeet, Wiese, Thujenhecke. Theoretisch braucht man die App dann nicht mehr. Was sie aber ermöglicht, ist zum Beispiel eine Urlaubsfunktion, die Warn- und Fehlermeldungen an eine Vertretungsperson schickt.
Außerdem kann man – jederzeit und von überall aus – über das Internet zugreifen und Faktoren wie die Wettervorhersage integrieren. „Bei 70 Prozent Regenwahrscheinlichkeit in drei Stunden schaut das System den Feuchtigkeitsstand an“, erklärt Grösslich, „und beschließt vielleicht, nicht zu gießen, sondern auf den Regen zu warten.“
Die eineinhalbjährige Entwicklungsphase ist nun abgeschlossen, die Serienproduktion in österreichischen Unternehmen startet in wenigen Wochen. Und Grösslich träumt schon weiter: Nach den Privatkunden sieht er weitere Einsatzmöglichkeiten in Wohnbaugenossenschaften, der Hotellerie, auf Golfplätzen sowie in der Landwirtschaft. „Dort gibt es jetzt entweder hochkomplexe, sehr teure Systeme der Agrarbewässerung oder den Landwirten, der Wasser selbst ausbringt“, sagt der Unternehmer. Auch den Weinbau hält er für ein Riesenthema, „einen Bereich, bei dem wir mit einer simplen Lösung hineingrätschen werden“.
In Zukunft könnte Viracube die Bewässerung auch auf einzelne Pflanzen abstimmen. Für den Aufbau einer Datenbank möchten die Gründer dann auch mit Wissenschaftlern, beispielweise der Wiener Universität für Bodenkultur, der Forschungsanstalt für Gartenbau Schönbrunn oder des Austrian Institute of Technology (AIT) zusammenarbeiten.