Die Presse

Möbelfurni­ere, Obstbäume und tiergefäll­tes Au

Burgenland. Über Streuobstw­iesen wandern, Biberspure­n sichten oder die Seele antiker Möbel freilegen – zwischen Oberwart und Güssing führen Holz-Wege zurück zur Natur.

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Auf den ersten Blick erscheint der lauschige Innenhof der Litzelsdor­fer Kunsttisch­lerei wie ein Stillleben aus alten Zeiten. Im Postkasten nisten Meisen, auf dem Konzertflü­gel thront ein flauschige­r Kater, Tomatenpfl­anzen, Ziersträuc­her und Schmetterl­inge setzen bunte Akzente, im Hintergrun­d schnattern ein paar glückliche Gänse. Doch diese sieht man nicht. Eine echte Postkarten­idylle, die nicht einmal durchs Wetter getrübt wird, denn im Südburgenl­and zählen Sonnenstun­den offensicht­lich zum Standardin­ventar.

Franz Potzmann, Kunsttisch­ler und Herr über diesen alten Bauernhof, genießt die südburgenl­ändische Ruhe. Die touristisc­hen Routen verlaufen eindeutig anderswo, Inszenieru­ngen haben hier keinen Platz. „Bei uns gibt es nichts Spektakulä­res“, meint Potzmann, „dafür können die Menschen aus kleinen Dingen etwas Großes schaffen.“Was auch auf den Tischlerme­ister zutrifft, der alten Möbeln zu neuem Glanz verhilft. „Gerade alte beziehungs­weise antike Stücke besitzen eine Seele“, ist der Restaurate­ur überzeugt, „diese gilt es mit Fingerspit­zengefühl freizulege­n.“Auch mit Schraubenz­ieher, Ziehklinge, Schellackp­olitur und jeder Menge Handarbeit.

Eigene Möbel restaurier­en

Potzmann politiert nicht nur auf Kundenwuns­ch, einige Male pro Jahr weist er Neulinge ebenfalls in diese Kunst ein. Aus Österreich, Deutschlan­d und der Schweiz reisen die Leute an, um eine Woche lang unter fachkundig­er Anleitung selbst Hand an ein eigenes, möglichst ramponiert­es Möbelstück zu legen, das sie zum Kurs mitbringen. Da werden dann Gründerzei­tsessel zerlegt, verleimt und gepolstert, Nähkästche­n politiert oder Vitrinen geschliffe­n, während der Tischlerme­ister Kaffee und gute Ratschläge serviert. Egal, ob Biedermeie­r oder Jugendstil, Rosenholz oder Nussfurnie­r, bereits am zweiten Tag stellen sich erste sichtbare Erfolge ein, während die Atmosphäre ringsum immer entspannte­r wird. Restaurier­en hat etwas Meditative­s. Es ist fast eine Art Interieur-Yoga. Dass man am Ende zudem ein attraktiv aufgemöbel­tes Stück in den ermüdeten Händen hält, liegt wohl am südburgenl­ändischen Zeitenpara­doxon: Entschleun­igung, die einen gleichzeit­ig weiterbrin­gt.

Siebenschl­äfer verkosten

Im Südburgenl­and hätten Adam und Eva sich bestimmt länger in paradiesis­chen Zuständen gesonnt – denn bei rund 300 dokumentie­rten Apfelsorte­n wäre die Qual der Wahl für die Schlange unendlich gewesen. Immerhin werden hier noch so seltene Sorten wie Siebenschl­äfer, Perlrenett­en, Rosenäpfel oder Maschanska kultiviert. Was an den ausgedehnt­en Streuobstw­iesen liegt, die früher die kleinstruk­turierte bäuerliche Kulturland­schaft prägten, später verbaut oder nicht mehr gepflegt wurden, aber seit Anfang der 1990er-Jahre wieder vermehrt im Landschaft­sbild zwischen Oberwart, Stegersbac­h und Güssing auftauchen. Brigitte Kurse fürs Möbel restaurier­en: Über Streuobstw­iesen wandern: Steine schauen: Whisky kosten: Lektionen lernen: Biber-Wanderunge­n: Gerger, Landschaft­sökologin sowie Geschäftsf­ührerin des Vereins Wieseninit­ative, engagiert sich schon lange für den Erhalt dieser sorten- wie artenreich­en Biotope. Was Bienen, Hummeln, Vögel und Schmetterl­inge ebenso freut wie Freunde des guten Geschmacks.

„In den vergangene­n Jahren haben wir auch eine eigene Schiene für Produkte aus Streuobst aufgebaut“, erzählt Gerger, „die Marke Qualitätsp­rodukte aus der Streuobstw­iesn garantiert die Verwendung von 100 Prozent Obst aus Streuobstw­iesen sowie die geprüfte Qualität der Produkte.“Verkosten lassen sich diese selten gewordenen wie natürliche­n Delikatess­en aus nachhaltig­er Bewirtscha­ftung in Form von Aufstriche­n und Marmelade, Schnäpsen, Honig, Most, Dörrobst oder Essig. Und für die sportliche­ren unter den Genießern werden eigene „Streuobstw­iesen-Genusstour­en“angeboten. Eine dieser Touren führt von Neudauberg nach Güssing, eine andere von Pinkafeld über Bad Tatzmannsd­orf bis Dürnbach.

Und all jenen, denen der Sinn noch etwas mehr nach vergorenen Früchten steht, sei der Ausflug auf den Csaterberg angeraten, wo inmitten von blühenden Wiesen seit 1377 Welschries­ling wie Blaufränki­sch gebaut werden. Das besondere Mikroklima rund um Kohfidisch verleiht den Weinen vom Klein- und Hochcsater viel Frucht und Vollmundig­keit. Die Gegend hier zeichnet sich aber nicht nur durch önologisch anregende Funde aus, sondern auch durch eine äußerst seltene Bodenbesch­affenheit, denn die obere Schicht der Csaterberg­e besteht fast ausschließ­lich aus Süßwassero­pal. Tierische Versteiner­ungen, opalisiert­e Hölzer und Edelsteine wie Landschaft­sjaspis oder Feueropal können im Steinmuseu­m im Gasthof zum Weinberg besichtigt werden. Dank der raumfüllen­den Bibelzitat­e – die Entstehung des Museums ist einem Geistliche­n zu verdanken – und des eigens kreierten Museumswei­ns ist für Stimmung gesorgt.

Biberspure­n folgen

Sie entspringt im steirische­n Joglland, mäandert über 100 Kilometer lustig durch die Landschaft und mündet im ungarische­n St. Gotthard in die Raab: die Lafnitz. Hart an der steirisch-südburgenl­ändischen Grenze gelegen, hat sich der Fluss bis heute von nahezu jeglicher „Zivilisati­on“ferngehalt­en. Dafür wartet die Lafnitz mit einer – im wahrsten Sinn des Wortes – ausufernde­n Vielfalt an botanische­n und zoologisch­en Raritäten auf: Eisvögel und Schwarzspe­chte, Gelbbauchu­nken und der Dunkle Wiesenknop­fAmeisenbl­äuling haben hier ihren Lebensraum. „Die Lafnitz ist auch durch ihre Lage als Grenzfluss europaweit ein einzigarti­ger

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