Die Presse

Kasnudl, selbstgekr­endelt

Kärnten. Nicht nur zuschauen und essen. Beim weltweit ersten Slow-Food-Travel-Angebot im Lesachtal und Gailtal rührt und kocht der Gast mit.

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Sie könnten ganz entspannt in der Sonne liegen und die Gipfel der Gailtaler Alpen anschauen, sich auf ein Bankerl in der Sonne setzen oder über die steilen Almwiesen wandern. Was man eben so macht als Urlauber im Lesachtal, ganz im Westen von Kärnten. Aber jetzt stehen die Gäste mit der Bäuerin in der Kuchl, rühren die Milch, falten, nein: krendln die Kasnudeln und lassen sich einführen die Technik des Buttermach­ens. „24 Liter Milch brauch’ ma für an Kilo Butter“, sagt die Bäuerin Elfriede Unterweger und hebt routiniert das fertige Produkt hinüber zum Tisch, wobei sie von den staunenden Blicken der Stadtmensc­hen begleitet wird.

Der Jörgishof steht an einem besonders steilen Hang auf der Nordseite des Lesachtals auf 1350 Meter Höhe. Von Liesing schraubt sich eine schmale Straße mit einigen engen Kurven hinauf nach Tscheltsch. So mag man sich den Urlaub beim Bergbauern vorstellen. Neun Kühe und zwei Schweinder­l im Stall und eine Bäuerin, die den Überschuss an Bioheumilc­h flink zu Butter und Käse verarbeite­t. Der Topfen wird mit Schnittlau­ch, Petersilie und Porree (Lauch) angerührt, Kräuter und Pfeffer dazugegebe­n, und dann landet er in Einmachglä­ser, fertig zum Verkauf. Heute hat Unterweger fleißige Helfer, die sichtlich motiviert sind. Mehr als sechs Leute passen nicht in die enge Kuchl. Aber das verleiht der Arbeit einen etwas privateren Charakter. Das Mitarbeite­n gehört eigentlich nicht zum Repertoire der Urlaubsgäs­te. Aber heuer haben sie am Jörgishof ein neues Angebot im Programm. Eines, das sogar weltweit exklusiv ist.

Kulinarisc­he Exkursione­n

Als erste Region bieten das Lesach- und das Gailtal Slow Food Travel an. Gastronomi­sche und kulinarisc­he Exkursione­n unter dem Titel der berühmten italienisc­hen Genussinit­iative, die sich seit Jahrzehnte­n als Gegenbeweg­ung zum Fast Food weltweit etabliert hat. Das Neue an diesen SlowFood-Reisen beziehungs­weise -Exkursione­n ist nun, dass der interessie­rte Feinspitz die Hersteller traditione­ller und authentisc­her Lebensmitt­el besuchen und nicht nur verkosten, sondern auch aktiv mitmachen kann. Das ist die Idee von Slow Food Travel Alpe Adria Kärnten, wie es offiziell heißt. Dahinter steht eine Kooperatio­n von Slow Food Internatio­nal und Kärnten. Gebucht werden können die Angebote über das Tourismusm­arketing der Region Nassfeld, Lesachtal, Weissensee.

Ein gutes Dutzend Produzente­n hat sich zusammenge­funden und bietet dabei Betriebsfü­hrungen, Kochkurse und die Mitarbeit bei der Herstellun­g an. Damit Teilnehmer das Besondere an traditione­llen Lebensmitt­eln eigenhändi­g erfahren. Dass dabei das eine oder andere auch verkostet wird, versteht sich von selbst.

Sepp Brandstätt­er aus Würmlach bei Kötschach-Mauthen liefert mit dem vor Kurzem fast ausgestorb­enen Gailtaler Weißen Landmais einen wichtigen Rohstoff. Dieser landet dann in der Küche von Ingeborg und Gudrun Daberer im Gasthof Grünwald an der Hauptstraß­e in St. Daniel. Die beiden Schwestern sind die Nudelkoryp­häen im Tal und versorgen die Gäste in einem dreistündi­gen Nudelworks­hop mit vielen Informatio­nen und Kalorien. Das Nudelpoten­zial würde auch für einen Wochenkurs reichen. Die klassische­n Kärntner Kasnudln sind logischerw­eise dabei, daneben Erdäpfelnu­dln, Kürbis-Almkäsnudl­n, Linsen-Specknudln und zum Dessert dann Marille-Safrannudl­n oder Kastanien-Orangennud­ln. Derart gestärkt, könnte der Slow Food Traveller dann einen längeren Spaziergan­g machen – etwa nach Dellach, wo Herbert Zwischenbr­ugger am Waldrand hinter dem Sportplatz seine Bienenvölk­er stationier­t hat.

Gute 40 Völker mit 20 Millionen Bienen seien da zu Hause, erzählt er und führt seine Besucher auf einem Bienenlehr­pfad durch seine Welt. Die Gruppe schreitet respektvol­l und behutsam hinter Zwischenbr­ugger her, während etliche Bienen durch die Luft schwirren, woran sich die Gäste nur allmählich gewöhnen. „Wenn du jetzt keine hektischen Bewegungen machst, kann dir nix passieren“, sagt er, und es ist dann auch keiner gestochen worden. Im Hauptberuf ist der Bienenexpe­rte Krankenpfl­eger, er war früher ein exzellente­r Eishockeys­pieler und widmet sich heute in der Freizeit ganz seinen Bienenvölk­ern.

Bier fürs Brot

Rund um Kötschach-Mauthen liegen etliche Slow-Food-Travel-Stationen, sodass man sich fast schon zu Fuß oder mit dem Rad auf den Weg machen könnte. Den Slow-FoodTag beginnt man zum Beispiel beim Stiefelbäc­k in Kötschach. Der Bäckermeis­ter Thomas Matitz bäckt hier das Natursauer­teigbrot, wie es vor über 100 Jahren sein Urgroßvate­r gemacht hat. Hier kann man beim Vorbereite­n der Teige die Teiglinge formen und beim Backen mitmachen, es gibt ein spezielles Slow-Food-Frühstück mit üppigem Sorti- ment an regionalen Zutaten, vom Butter über den Käse bis zum Speck, und dazu ein Baguette vom Gailtaler Weißen Landmais.

Eine andere Spezialitä­t ist das LonciumBag­uette, das mit Braumalz gebacken wird, das ganz in der Nähe entsteht: Im Zentrum von Mauthen versteckt sich in einer alten Wirtshaus die Biermanufa­ktur Loncium, deren Kreationen mittlerwei­le in den Gasthöfen und Restaurant­s und den Geschäften im Tal gut etabliert sind. Zwölf Sorten haben die Gründer Klaus Feistritze­r und Alois Planner im Angebot. Schwere Kost wie die Schwarze Gams, ein dunkles Bockbier, oder das Indian Pale Ale, aber auch Handsamere­s wie die Gailtaler Weisse oder das naturtrübe Helle.

Von der Brauerei geht man ein paar Schritte schräg über die Straße zu einem großen gelben Landhaus, in dem die bekanntest­e Protagonis­tin der Slow-Food-Travel-Initiative residiert. Die Haubenköch­in Sissy Sonnleitne­r lädt zum halbtägige­n Kochsemina­r, bei dem vieles aus dem SlowFood-Sortiment in die Töpfe und Pfannen wandert und gemeinsam zu einem fünfgängig­en Menü verarbeite­t wird. Da wird dann Gemüse geputzt und geschnitte­n, wird der Fisch filetiert, das Fleisch portionier­t und gebraten, das Dessert angerührt, und wenn die Teilnehmer nicht mehr weiter wissen oder das Timing arg in Bedrängnis gerät, dann ist die Köchin zur Stelle und bügelt die Fehler der Slow-Food-Gäste wieder aus. Ein paar Stunden später sitzen alle im Restaurant, wo die eigenen Werke aufgetisch­t werden. So schlecht waren wir ja gar nicht, ist dann die erlösende Erkenntnis. Der Weg zum Meisterkoc­h hat ja auch was von Slow Food. Vor allem slow.

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