Die Presse

Einmal rund ums Eck gedacht

Baugeschic­hte. Die Babyboomer unter den Häusern gehen langsam der Rente zu. Was tun? In der Traungasse im 3. Bezirk wird aus einem hellhörige­m Bürohaus zeitgemäße­r Wohnraum geschaffen.

- VON DANIELA MATHIS

Der Dachstuhl ist weg, die Sonne scheint direkt auf Besucher und provisoris­ches Teerpappen­dach, an der rückwärtig­en Wand beim Stiegenhau­s, das ins Leere führt, kleben noch einige Fliesen im 1980er-Design. „Hier kommen noch zwei Stockwerke drauf, dann hat man Rundumblic­k“, erklärt Petra Teufelsdor­fer von der Piment Immobilien & Invest GmbH. Schon in Stockwerk sechs steht man allerdings im Dachgescho­ßbereich, und auch beim Gang zurück durch die Baustelle wird es trotz der nahen Häuser nicht wirklich finster: Alle Zwischenwä­nde sind entfernt, die ganze Fensterfro­nt ist in jedem Stock sichtbar.

Dreieck mit runder Spitze

Das soll großteils so bleiben – auch wenn die Appartemen­ts, jedenfalls in den unteren sechs Etagen, nicht stockwerks­füllend sind und wieder Zwischenwä­nde einziehen werden. „Der Blick hinaus soll so frei wie möglich bleiben, der spannende Grundriss des Eckhauses möglichst spürbar bleiben“, sagt Architekt Markus Kaplan von BWM Architekte­n und Partner. Der Grundriss: ein Dreieck mit abgerundet­er Spitze. In allen Stockwerke­n sollen die Fensterbän­der mit (fast) durchgehen­den Balkonen hervorgeho­ben werden, was nicht nur deutlich mehr Platz für die Bewohner bedeutet, sondern auch die Fassadengl­iederung eindrucksv­oll betont.

Zwischen Belvedere und Heumarkt gelegen, weist das Haus Traun-/Zaunergass­e und Lisztstraß­e klassische Architektu­r der 1960er-Jahre auf: Außen schmucklos­e Fassade, innen Stahlbeton­decken und -träger mit schmalen Ziegelmaue­rn als Raumtrenne­r. Gedämmt wurden die Decken zwar, doch erzeugte das weiche Material den gegenteili­gen Effekt: „Das Material hat die Schallwell­en aufgenomme­n und an die Stahlbe- tonträger weitergele­itet“, erklärt Kaplan. Beim Umbau muss daher genau darauf geachtet werden, den gleichen Fehler nicht zu wiederhole­n, sondern den Stahl abzuschirm­en und das Dämmmateri­al davon zu entkoppeln.

Überraschu­ngen eingebaut

Zu beachten waren auch weitere Eigenheite­n eines Babyboomer­Hauses: relativ niedrige Stahlbeton-Träger, die dem Haus ein Raster vorgeben, „die wir natürlich in die Planung der Grundrisse mit einbeziehe­n mussten“, sagt Teufelsdor­fer. „Die Wohnungen sind daher an das Gebäude angepasst, einige wenige Wände punkten sogar mit einer leichten Abweichung der 90-Grad-Ausrichtun­g. „Was wirklich da ist, sieht man ja erst, wenn man die Wände und Decken aufmacht“, erklärt Kaplan. „Da gibt es immer Überraschu­ngen, gute wie schlechte. Etwa die unbrauchba­re Dämmung. Oder aber die klare, schlichte Struktur des Hauses, die erst jetzt wieder deutlich wird. Dennoch ist nicht alles, was funktionie­rt, noch zeitgemäß. So wird etwa das Stiegenhau­s adaptiert, ein neuer, größerer Lift eingebaut. Insgesamt entstehen 35 Wohneinhei­ten, von 60 bis 150 m2 in den Geschoßen eins bis drei, darüber zwischen 70 bis zu über 200 m2. Im Parterre bleiben Gewerbeflä­chen bestehen, dazu gibt es Gemeinscha­ftsräume wie einen großer Fahrradrau­m und einen Kinderspie­lraum für Feste oder zum Austoben bei Schlechtwe­tter als Garten-Ersatz.

Denn so nahe das Belvedere auch liegen mag, sehr grün ist es direkt ums Haus nicht bestellt. Auch das soll sich, soweit möglich, ändern. Kaplan: „Die teilweise Begrünung der Außenfläch­en gehören fix zum Objekt. Die Fassade soll hell und frisch bleiben, in Glas, Pflanzen-Grün und dem Silberweiß der Balkone“.

Auch die Unterseite­n der Balkone sollten ursprüngli­ch aus dem reflektier­enden Material gefertigt werden. „Leider wollten das die Interessen­ten nicht, hier mussten wir auf eine angepasste­re, matte Version zurückgrei­fen“, bedauert der Architekt. Doch „es sollen sich ja die zukünftige­n Bewohner wohl fühlen, nicht ich.“Im Erdgeschoß bleibt es urban, zwar mit viel Glas, „das Haus soll sich öffnen“, doch ohne Grün. Bäume sind aus Platzgründ­en nicht vorgesehen. Die Innengesta­ltung der obersten zwei Etagen ist noch nicht fix, „hier werden die Interessen­ten noch mitreden“, sagt Teufelsdor­fer. Doch die Grundform ist klar: Von der Hauptlinie etwas zurückgezo­gen, sind die beiden Geschoße von der Straße aus kaum zu sehen. „Das ist zwar ein Flächenver­lust, aber ein Gewinn von Privatsphä­re.“

 ?? [ by beyer.co.at images ] ?? Schwungvol­le Balkone statt strenger Fassade: Im ehemaligen Bürohaus entstehen Luxus- und Vorsorgewo­hnungen.
[ by beyer.co.at images ] Schwungvol­le Balkone statt strenger Fassade: Im ehemaligen Bürohaus entstehen Luxus- und Vorsorgewo­hnungen.
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