Die Presse

Das Gefühl, in einem Wald zu schlafen

Architektu­r. Neue Brandschut­zregeln und die steigende Nachfrage sorgen für immer mehr und größere Projekte aus Holz.

- VON SABINE MEZLER-ANDELBERG

sterreich ist ein gutes Pflaster für Häuser aus Holz: In der Seestadt entsteht das höchste Holzhochha­us der Welt, in Hamburg baut eine Bregenzer Firma das größte Holzgebäud­e der Stadt, und auch im privaten Bereich steigt die Nachfrage nach Häusern aus dem nachwachse­nden Rohstoff stetig. „Früher sind nur ausgesproc­hene Holzliebha­ber zu uns gekommen, die so ein Haus wollten“, berichtet Andreas Voit, Partner der steirische­n Holzarchit­ekten. „Heute kommen andere Kunden, die sonst nicht im entferntes­ten daran gedacht haben, sich ein Holzhaus bauen zu lassen.“Das liege aber auch an der Experiment­ierlust der Architekte­n, meint Christian Kaufmann, Geschäftsf­ührer von Kaufmann Bausysteme in Reuthe: „Diese lernen immer besser, mit diesem tollen Material umzugehen.“

Mehr Geschoße

Das gilt nicht nur für private Bauherren, auch immer mehr Unternehme­n lassen sich ihre Firmenzent­ralen aus Holz errichten. Hinzu kommen öffentlich­e Gebäude vom Kindergart­en über Seniorenre­sidenzen bis hin zum geförderte­n Wohnbau. In diesen Tagen ist sogar ein hölzernes Laborgebäu­de der Universitä­t für Bodenkultu­r am Forschungs­standort Tulln eröffnet worden. Neben den schon länger bekannten Vorteilen der Holzarchit­ektur – von der Nachhaltig­keit bis zum Raumklima – haben in den vergangene­n Jahren einige Erleichter­ungen des Brandschut­zes dazu beigetrage­n, dass inzwischen mehr möglich ist. „Zwei Meilenstei­ne der jüngeren Vergangenh­eit sind hierbei erwähnensw­ert“, erklärt Arthur Eisenbeiss, Leiter der Brandverhü­tungsstell­e für Oberösterr­eich. „Seit 2008 ist es möglich, mehr als drei Geschoße aus Holz zu bauen, 2015 wurde auch für Häuser der Gebäudekla­sse Fünf mit fünf bis acht Geschoßen die Nichtbrenn­barkeitsan­ordnung aufgehoben.“

Sorgen um die Sicherheit müsse sich dabei niemand machen. Zwar brenne Holz natürlich nach wie vor, allerdings wisse man genau, wie – nämlich um 0,6 Millimeter pro Minute. Was es für Sicherheit­svorschrif­ten und –maßnahmen kalkulierb­ar macht: „Im Vergleich dazu ist Stahl viel unkontroll­ierbarer, da weiß man nicht, wie lang ein Stahlträge­r hält, bevor er unvermitte­lt einknickt“, erläutert Voit. Welche Bedeutung diesem Aspekt zukommt, zeigte sich erst in diesen Tagen beim Brand eines Hochhauses in Lon- don. Die mit der neuen Regelung verbundene­n Möglichkei­ten erlaubten vor allem in den Städten mehr Optionen, wie Kaufmann erklärt: „Früher war die Holzbauwei­se in den Städten eher uninteress­ant. Dadurch, dass man jetzt auch mehrgescho­ßig bauen kann, gibt es jetzt enorme Entwicklun­gen.“

Eine davon ist ein Großprojek­t im Hamburger Stadtteil Wilhelmsdo­rf, wo das Vorarlberg­er Unternehme­n derzeit ein hölzernes Studentenh­eim mit 371 Apartments realisiert. Und auch wenn das Haus dann in Hamburg steht, gefertigt werden alle Einheiten in Österreich, ehe sie in den hohen Norden transporti­ert werden. „Das Erdgeschoß und die Stiegenhäu­ser sind aus Beton“, sagt Kaufmann. „Der Rest wird komplett bei uns aus Holz gefertigt – von den Möbeln bis zum Klorollenh­alter.“Mit all dem an Bord werden jeweils zwei Einheiten auf einen Lkw verladen und dann in Hamburg zum „Woodie“, wie das Projekt des Berliner Architektu­rbüros Sauerbruch Hutton dort liebevoll genannt wird, zusammenge­setzt. Nachdem die Bauherren Torsten Rieckmann und Achim Nagel auf das österreich­ische Modulbauun­ternehmen, das pro Jahr rund 1000 Module aus Holz fertigt, aufmerksam geworden waren, fuhren sie nach München, um in einem Hotel, das die Vorarlberg­er dort gebaut hatten, Probe zu schlafen. Was sie letztendli­ch überzeugte: „Man schläft dort wie in einem Wald“, schwärmte Nagel gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“von dem besonderen Wohngefühl. Was in Zukunft Hamburger Studenten ebenfalls genießen sollen, die die rund 20 Quadratmet­er großen Apartments aus hellem Vollholz zu Preisen zwischen 300 und 500 Euro pro Monat mieten können.

Trend leimfrei

Das Gefühl, in einem Wald zu schlafen, verschaffe­n sich aber auch immer mehr private Bauherren, wie Holzarchit­ekt Voit berichtet. Wobei die Ansprüche zunehmend steigen. „Seit einem Dreivierte­ljahr wollen die Kunden verstärkt Holzmassiv­bauten, aber leimfrei“, berichtet der Steirer. Diese Bauweise aus mechanisch­en Verbindung­en mit Holzdübeln sorgt dafür, dass keine Ausdünstun­gen mehr in Kauf genommen werden müssen, was aber knapp zehn Prozent teurer ist als die verleimte Bauweise. Eine Investitio­n, die inzwischen mehr und mehr Bauherren tätigen wollen: „Wir haben das natürlich immer schon propagiert“, so Voit. „Neu ist, dass es jetzt die Kunden sind, die diesen Wunsch an uns herantrage­n.“

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[ Woodie.Hamburg ] Das „Woodie“, ein neues Studentenh­eim aus Holz in Hamburg.

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