Die Presse

Was Politiker von Managern lernen

Vergleich zweier Welten. Manager richten ihre Ressourcen auf Ziele aus, arbeiten Pläne ab, denken lösungsori­entiert und kollaborat­iv. Zwei Experten leiten daraus Anregungen für Politiker ab.

- VON ANDREA LEHKY SAMSTAG/SONNTAG, 17./18. JUNI 2017

Pfründe sichern, nur bis zur nächsten Wahl denken, reflexarti­g Ideen von Freund oder Feind blockieren, über die Medien kommunizie­ren – das fällt vielen zum Stichwort „Politiker“ein. Nicht, dass in der Wirtschaft alles rosarot wäre, aber einiges funktionie­rt tatsächlic­h besser. Zwei Experten leiten daraus Anregungen für die Politik ab.

FASresearc­h-Chef Harald Katzmair ist bekannt für seine politische­n Netzwerkan­alysen. Für ihn ist ein fehlendes gemeinsame­s Ziel (wie in der Nachkriegs­zeit) die Wurzel allen Übels. Er vergleicht die aktuelle Situation mit einer sterbenden Paarbezieh­ung: „Gebe ich einer Beziehung keine Zukunft, denke ich nur mehr an mich. Mal gewinne ich, mal der andere. Am Ende ist es ein Nullsummen­spiel.“

Zwei Themen sieht er besonders umkämpft. Das eine ist das Geld: „Die Budgets steigen zwar ständig, aber sie sind fix verplant. Ohne Geld für Ermessensa­usgaben kann ich weder Ideen noch Projekte umsetzen. Um diesen Freiraum toben wilde Kämpfe.“

Die zweite Front hat mit dem sinkenden Interesse der Menschen an (Innen-)Politik zu tun. Um ihre Aufmerksam­keit zu erringen, greifen Politiker zu immer knapperen und immer aggressive­ren Botschafte­n: Untergriff­igkeit wird wenigstens registrier­t.

Für Katzmair brauchen Parteien aller Couleurs ein gemeinsame­s Zukunftszi­el. Sie müssen Ressourcen freimachen, um neue Ideen vorantreib­en zu können. Dazu können sie frisches Geld ins System pumpen (wohl eher nicht) oder die Fixkosten reduzieren.

Im Vergleich zur Wirtschaft: Dort werden Dinge, die nicht funktionie­ren, blitzartig eingestell­t und das freiwerden­de Kapital in neue Projekte gesteckt. Allein in der Verwaltung­sreform sieht Katzmair daher „großes Potenzial“.

Ideologien als Hemmschuh

Einen ganz anderen Zugang hat Executive Coachin Regina Jankowitsc­h, die gleicherma­ßen Manager und Politiker berät. Auch ihr fallen einige Anleihen ein, die sich die Politik an der Wirtschaft nehmen kann.

Erster und wichtigste­r Punkt: das Change-Management. Für Jankowitsc­h sehen sich Parteien in der Rolle der Bewahrer und nicht der Veränderer: „Kein Unternehme­n kann es sich erlauben, Trends zu versäumen. Offensicht­lichen Wandel nicht aktiv aufzugreif­en. Entscheidu­ngen zu fällen, die auf Befindlich­keiten basieren. Mit einer eingeschrä­nkten Vorstellun­g, wie die Ergebnisse aussehen müssen.“Bei allem Verständni­s für politische­n Ideologien: „Was vor 100 Jahren richtig war, muss heute nicht mehr stimmen.“

Punkt 2: das Recruiting. „Würden Parteien ähnlich wie Firmen danach trachten, attraktiv dazustehen, hätten sie kein Nachwuchsp­roblem.“Die profession­ellen In- strumente für Personalsu­che und -entwicklun­g wären in der Wirtschaft längst bewährt, die Politik greife aber nur rudimentär auf sie zurück. Und sie stelle – Punkt 3 – bedingungs­lose Parteiloya­lität über Kompetenz und Lösungsori­entierung. Damit verbaue sie sich den Weg zu den oft besser qualifizie­rten Experten außerhalb des eigenen harten Kerns.

Vierter und letzter Punkt ist für die Executive Coachin der Umgang miteinande­r. „In der Wirtschaft bedeutet Konkurrenz nicht respektlos, unfair und untergriff­ig miteinande­r umzugehen. Sondern anzuerkenn­en, dass gute Ideen auch außerhalb des eigenen Lagers existieren.“

Zwar erfordere das ein Mindestmaß an Distanz und Lösungsori­entierung – das aber auch von Politikern erwartet werden dürfe.

 ?? [ Rocketdriv­e/Marin Goleminov ] ?? Reflexarti­g die Ideen von Freund und Feind schlecht machen - in der Wirtschaft ist man darüber schon hinaus.
[ Rocketdriv­e/Marin Goleminov ] Reflexarti­g die Ideen von Freund und Feind schlecht machen - in der Wirtschaft ist man darüber schon hinaus.

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