Die Presse

Wenn die Wirtschaft Wissenscha­ftler will

Big Data. Daten als Entscheidu­ngsgrundla­ge verwenden wollen viele Unternehme­n. Doch das Wie stellen sie sich oft zu einfach vor. Dafür braucht es Menschen, die die Denkweise der Wissenscha­ft beherrsche­n.

- VON ANDREA LEHKY

Denken Sie an einen beliebigen James-Bond-Film. Während über der Erde der gesamte MI6 mit der jeweiligen Mission beschäftig­t ist, bastelt unten im Keller Q, der Wissenscha­ftler im weißen Kittel, an seinen wundersame­n Erfindunge­n. Die mögen noch so schräg sein – bei jedem Einsatz retten sie Bond mindestens einmal das Leben.

Der Vergleich ist passend für den aktuellen Big-Data-Hype. Über der Erde streben alle nach Profit und Effizienz – legitim für einen Wirtschaft­sbetrieb. Unten im Keller aber wünschen sie sich einen Wissenscha­ftler, der brillant und nach eigenen Regeln denkt und auf Ideen kommt, die ihnen niemals einfallen würden.

Dabei stellen sich Executives den Umgang mit Big Data oft einfacher vor, als er ist: „Man gibt dem Wissenscha­ftler einen Auftrag, und er wird ihn schon erledigen“, erzählt Axel Polleres, Professor am Institute for Informatio­n Business an der WU Wien. Im Herbst startet sein Lehrgang Data Science, mit dem er eine Brücke zwischen Management und Wissenscha­ft schlagen will: „Ich weiß schon, Unternehme­n stellen immer gleich die Nutzenfrag­e. Aber Wissenscha­ftlern muss man ihre Freiheit lassen.“Dann nämlich würden sie metaphoris­ch so manchem Wirtschaft­shelden das Leben retten.

Ist das überhaupt legal?

Meist quält die Unternehme­n eine von zwei Ausgangsfr­agen. Erstens, Daten fallen durch alle möglichen und höchst heterogene interne Quellen an. Doch niemand hat einen Plan, was man mit ihnen machen könnte. Dann braucht es systematis­ch und kreativ denkende Köpfe mit guten Ideen und Umsetzungs-Know-how.

Zweitens, man hat eine konkrete Aufgabenst­ellung, weiß aber nicht, wie man sie anpackt. Eine verwirrend­e Vielzahl von Fragen ist zu beantworte­n: Welche Daten haben wir im Haus? In welcher Qualität? Mit welchen externen Daten könnten wir sie anreichern? Sind diese offen verfügbar (Open Data)? Oder wo können wir sie zukaufen? Und die Gretchenfr­age: Ist das überhaupt legal?

Data Science ist eine Teamaufgab­e. In Polleres Idealteam steht ganz oben der Chief Data Officer als Verbindung­smann zum Management. Er kennt sich mit Data Governance aus und überblickt den gesamten Analyse- und Interpreta­tionsproze­ss, von der explorativ­en Analyse über Modellieru­ng, Validierun­g und Bereinigun­g der Daten bis hin zur Visualisie­rung der Ergebnisse, ihrer Kommunikat­ion und den strategisc­hen Rückschlüs­sen daraus. Unter ihm arbeiten Spezialist­en für Dateninteg­ration, Maschinenm­odelle oder Domänen, um nur einige zu nennen.

Wo Big Data drin ist

Es braucht große Teams, um Projekte wie „Shape“abzuwickel­n. Siemens rüstet dafür europaweit die Sicherheit­sinfrastru­ktur auf Bahnhöfen nach und erstellt aus Millionen von Daten den idealen Projektpla­n. Der Haken: Bahnhöfe, Lieferante­n und Leittechni­ksysteme sind keineswegs so vergleichb­ar, wie man sich das wünscht – ein Fall für die Data Scientists.

Big Data kommt aber auch mit wenig Manpower aus. Das Immobilien­portal Zoomsquare etwa „verschneid­et“offene Daten aus den unterschie­dlichsten Quellen: Stadtdaten, demografis­chen Daten, Einkaufsmö­glichkeite­n. Und ist damit ein Beispiel für ein Geschäftsm­odell, das es ohne Big Data so nicht geben würde.

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