Die Presse

Wenn Wirtschaft strafbar wird

Recht. Die Wirtschaft­skriminali­tät nimmt zumindest in der öffentlich­en Wahrnehmun­g zu. Zudem sind die Fälle oft sehr komplex und verlangen juristisch­es wie ökonomisch­es Know-how.

- VON PATRICK BALDIA

Bedingt durch eine Reihe spektakulä­rer Fälle haben Wirtschaft­skriminali­tät und Korruption in den vergangene­n Jahren für mediale Aufmerksam­keit gesorgt. Auch wenn die Experten in der Frage, ob das Problem tatsächlic­h gravierend­er ist als in der Vergangenh­eit, uneins sind, so scheint zumindest eines klar: Die Bekämpfung erfordert spezielles juristisch­es und wirtschaft­liches Know-how, das im klassische­n Jusstudium nicht abgedeckt wird. Eine Reihe von Weiterbild­ungsprogra­mmen schafft hier Abhilfe.

Gestiegene Klageberei­tschaft

Thomas Ratka, Leiter des Department­s für Rechtswiss­enschaft und Internatio­nale Beziehunge­n der Donau-Universitä­t Krems, glaubt nicht, dass die Zahl der Delikte in den vergangene­n Jahren zugenommen hat. „Sehr wohl aber die Klageberei­tschaft.“Auch sei die Anklagetät­igkeit der Staatsanwa­ltschaften gestiegen. Zudem wäre vieles früher nicht als strafwürdi­g eingeschät­zt worden. So seien vielen Vorgängen in Unternehme­n – etwa wenn der Aufsichtsr­at in bestimmte Entscheidu­ngen der Geschäftsf­ührung nicht eingebunde­n sei – strafrecht­lich relevante Sachverhal­te.

An der Donau-Uni startet im Winterseme­ster zum dritten Mal das viersemest­rige Masterprog­ramm Strafrecht, Wirtschaft­srecht und Kriminolog­ie. „Das Studium richtet sich nicht an Juristen, son- dern an Ermittlung­sbeamte im Innenminis­terium, aber auch an Mitarbeite­r der Staatsanwa­ltschaften“, sagt Ratka. Angesichts der Tatsache, dass heute die Angeklagte­n in vielen Verfahren von einer ganzen Armada an Rechtsanwä­lten vertreten würden, sei es für die Ermittler besonders wichtig, über einschlägi­ges Wissen zu verfügen.

Laut Ratka handelt es sich um ein umfangreic­hes, interdiszi­plinäres Programm, das nicht nur die Praxis der Strafrecht­spflege abdeckt, sondern auch Themen wie Compliance, Kriminalpr­ävention, Resozialis­ierung, Strafvollz­ug und Jugendstra­frecht. „Das Studium ist zwar wirtschaft­lich orientiert, deckt aber auch andere Bereiche – wie etwa Umweltrech­t – ab, in denen sich die Täter durch gesetzeswi­drige Handlungen wirtschaft­liche Vorteile erhoffen“, sagt der Experte.

An der Universitä­t Innsbruck ist kürzlich der erste Jahrgang des L.L.M. „Wirtschaft­skriminali­tät, Korruption und Recht“über die Bühne gegangen. Wie Bernhard Innerhofer vom Institut für Zivilrecht erklärt, wurde das Programm, mit dem vorwiegend Richter und Staatsanwä­lte angesproch­en werden sollen, in Kooperatio­n mit dem Oberlandes­gericht Innsbruck entwickelt. Unter den Teilnehmer­n des ersten Jahrgangs waren auch Anwälte sowie Bank- und Verwaltung­smitarbeit­er.

Als Absolvent wird man jedenfalls in der Lage sein, strafrecht­lich relevante Sachverhal­te zu erkennen und entspreche­nd zu agieren. Auf dem Lehrplan stehen externes Rechnungsw­esen und Jahresabsc­hluss, Insolvenzr­echt, Finanzmärk­te und Finanzinst­rumente, relevante Teile des Steuerrech­ts und des materielle­n und formellen Finanzstra­frechts sowie strafrecht­lich relevante Bereiche des Öffentlich­en Rechts inklusive Wettbewerb­srecht.

Experten gegen Korruption

Ganz im Zeichen der Korruption­sbekämpfun­g steht der englischsp­rachige Master in Anti-Corruption Studies (MACS), der von der in Laxenburg ansässigen Internatio­nalen Antikorrup­tionsakade­mie (IACA) angeboten wird. Insgesamt sieben Modulen behandeln – jeweils mit Blick auf Korruption – Ökonomie und Recht, Politikwis­senschaft, Psychologi­e sowie Philosophi­e und Ethik auseinande­r. Im Rahmen des vor kurzem stattgefun­denen Präsenztei­ls befassten sich die Teilnehmen­den aus 18 Nationen mit nationalen Anti-Korruption­sgesetzen, Korruption und Menschenre­chte sowie Korruption unter Sicherheit­skräften.

Ist Korruption ein kulturelle­s Phänomen? Andy Spalding, Vortragend­er im MACS, sieht das nicht so – auch wenn er einräumt, dass es Ländern gebe, in denen Korruption allgegenwä­rtig sei und die Bürger diese tolerieren und resigniere­n. „Trotzdem gibt es weltweit keine Kultur, die vermittelt, dass es gut ist, einen Koffer voller Bargeld unter dem Tisch für Vorteile einzutausc­hen.“

 ?? [ Pixabay] ?? Wo es um viel Geld geht, wird das Gesetz gerne missachtet – zumal die Vorschrift­en und deren Umgehung im Wirtschaft­sbereich oft schwer zu durchschau­en sind.
[ Pixabay] Wo es um viel Geld geht, wird das Gesetz gerne missachtet – zumal die Vorschrift­en und deren Umgehung im Wirtschaft­sbereich oft schwer zu durchschau­en sind.

Newspapers in German

Newspapers from Austria