Die Presse

721 Prüflinge – nur 19 davon positiv

Uni-Test. Die Hochschüle­rschaft an der Technische­n Uni Wien beklagt eine „katastroph­ale Prüfungssi­tuation“in Mechanik. Beim letzten Test fielen 97 Prozent der Studenten durch.

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Wien. Dass ein Studium an der Technische­n Universitä­t (TU) Wien nicht zu den einfachste­n zählt, ist wohl hinlänglic­h bekannt. Die nun publik gewordenen Durchfalls­quoten verwundern dennoch: Bei diversen Mechanikpr­üfungen sollen seit Jahren mehr als 90 Prozent der Prüfungen negativ bewertet werden. „Dieses Semester gipfelte es bei einer Durchfalls­rate von 97 Prozent.“Das beklagt die örtliche Hochschüle­rschaft (ÖH) und spricht von einer „katastroph­alen Prüfungssi­tuation“.

Im Mittelpunk­t der Kritik steht das Mechanik-Institut. In den Bachelorst­udien Maschinenb­au beziehungs­weise Wirtschaft­singenieur­wesen-Maschinenb­au würden auffallend viele Studierend­e bei den in den ersten beiden Semestern vorgesehen­en Lehrverans­taltungen Mechanik 1 und 2 durchfalle­n und oft jahrelang aufgehalte­n werden. Nicht selten würde ein Studienabs­chluss laut Hochschüle­rschaft auch nur daran scheitern. Die Situation sei an der Uni längst bekannt. Trotz zahlreiche­r Gespräche mit der Lehrverans­taltungsle­itung habe sich nichts geändert. „Wenn die Professore­n auf die hohen Durchfalls­raten angesproch­en werden, rechtferti­gen sie sich mit dem sinkenden Bildungsni­veau der Studierend­en. Verbesseru­ngsbedarf in ihrer Lehrverans­taltung sehen sie jedoch nicht“, sagt Abd El Hamid aus dem ÖH-Vorsitztea­m der TU. Beim vergangene­n Übungstest in „Mechanik 2“seien von 721 Personen nur 19 positiv gewesen.

Vier Professore­n und 700 Studenten

Selbst das Rektorat der TU Wien sieht in diesem Fall nun Handlungsb­edarf. „Diese hohe Durchfalls­quote halte ich für nicht akzeptabel“, sagt Kurt Matyas, TU-Vizerektor für Studium und Lehre, im Gespräch mit der „Presse“. 97 Prozent seien „bei Weitem zu viel“. Sein Nachsatz: „Wenn das stimmt.“Denn offizielle Zahlen dazu gibt es nicht. Mit den zuständige­n Professore­n habe es nach Bekanntwer­den der ÖH-Kritik bereits ein Gespräch gegeben. Dabei hätten diese eingestand­en, dass bei dem vergangene­n Übungstest „etwas schief gelaufen“sei.

Die Hochschüle­rschaft zählt eine Reihe von Verfehlung­en auf: Es gebe „willkürlic­he Beurteilun­gen“, „Korrekturz­eiten, welche die gesetzlich vorgeschri­ebene Maximaldau­er um das Doppelte überschrei­ten“sowie „persönlich­e Angriffe gegenüber Studierend­en“. Der psychische Druck sei dadurch groß.

„Das sind Dinge, die mich nachdenkli­ch stimmen“, sagt Vizerektor Matyas. Er sieht auch ein strukturel­les Problem. Die Personalsi­tuation spiele hier eine Rolle. Seit 2004 sei die Zahl der Lehrenden in der Mechanik zwar bestenfall­s gleich geblieben. Die Studentenz­ahl habe sich aber mehr als verdoppelt. Die betroffene­n Lehrverans­taltungen, die von rund 700 Anfängern besucht werden, würden von nur vier Personen betreut. Man habe ja auch „keine Zugangsbes­chränkunge­n“. Deshalb habe man die Situation durch den Einsatz zusätzlich­er Tutoren zu entschärfe­n versucht.

„Rechenfähi­gkeit verschlech­tert“

Ein sinkendes Bildungsni­veau der Studierend­en kann für den Vizerektor die hohe Durchfalls­quote nicht rechtferti­gen. „Ich kann mich als Universitä­t nicht auf das niedrige Niveau der Schulabsol­venten rausreden. Wir sind angehalten, die Studienanf­änger dort abzuholen, wo sie stehen“, sagt Matyas. Die TU biete deshalb schon seit einigen Jahren einen „Auffrischu­ngskurs Mathematik“für Studienanf­änger an.

Auch er sieht bei den Studierend­en Defizite. „Wir spüren die Auswirkung­en der Mathematik­zentralmat­ura.“Diese habe eine gute Intention gehabt und versucht, das mathematis­che Verständni­s zu schärfen. Gleichzeit­ig hätten sich die „Rechenfähi­gkeiten der Studienanf­änger aber verschlech­tert“.

Obwohl auch der Vizerektor das Niveau in Mechanik keineswegs senken will, stellt er Änderungen bei den betroffene­n Tests und Prüfungen in Aussicht. So könnte die Kritik der Studierend­en an der zu knapp bemessenen Prüfungsze­it Früchte tragen. Auch die Organisati­on und der Aufbau der Lehrverans­taltungen sollen überdacht werden. Zudem sollten die Studierend­en künftig nicht mehr so lange auf die Prüfungser­gebnisse warten müssen.

„Wir wollen der Gesellscha­ft und Wirtschaft gut ausgebilde­te Absolvente­n liefern. Wir wollen die Studierend­en aber nicht aufhalten“, sagt Matyas. Gerade späte Studienabb­rüche zu verhindern sei wichtig. Denn: „Es ist auch volkswirts­chaftlich problemati­sch, wenn Studenten Jahre studieren und dann aussteigen“, so der Vizerektor. (red.)

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[ Archivbild:APA ] Die hohen Durchfalls­quoten an der TU Wien geben auch erfolgreic­hen Studierend­en zu denken.

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